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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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Eames-Lounge-Sessels direkt neben ihm und riss sie kurzerhand herum, so dass der Sessel mit einem lauten Poltern auf der Seite landete. Seine Schläfen schmerzten, in der Brust spürte er ein elektrisierendes Knistern wie von einer losen Stromleitung.
    Marshall starrte ihn an. Einen Moment lang schien es, als wollte er sich widersetzen, aber dann schüttelte er nur den Kopf, drehte sich um und ging den Flur hinunter in die Küche, um die Schränke zu durchsuchen.
    Gut. Als Jack sich wieder dem Zimmer zuwandte, entdeckte er ein Klappmesser auf dem Couchtisch. Er öffnete es, blickte auf das getrocknete Blut auf der Klinge und lächelte. Dann bohrte er die Messerspitze tief ins erstbeste Sofapolster und schlitzte es auf. Der reißende Stoff ließ seinen ganzen Arm zittern, ein unglaublich gutes Gefühl. Er holte einige Handvoll Schaumstoff heraus, bevor er das Polster zur Seite warf und das nächste ausweidete. Als er damit fertig war, fuhr er mit dem Messer über die Rückseite der Couch, packte sie an der Unterseite, drehte sie um und stach wieder zu.
    Als Nächstes nahm er sich das Regal vor. Er schob reihenweise Romane herunter, öffnete die Schränke und verteilte DVDs und Brettspiele auf dem Boden. Danach ging er zur TV-Bank, fasste den riesigen Fernseher – locker 102 Zentimeter Bilddiagonale – an den Seiten und ließ ihn nach vorne kippen. Eine Sekunde lang schwebte das Monster über dem Abgrund wie am Rand eines Felsabhangs, bevor es in die Tiefe rauschte. Die Bildröhre explodierte mit einem schrillen Knacken, Glassplitter pressten sich in den Holzboden. Jack spürte, wie sich sein Herz und seine Atemzüge beschleunigten. Es fühlte sich gut an.
    Im Schlafzimmer schlitzte er die Matratze an einem Dutzend Stellen auf und zerlegte die Bettdecken, bis nur noch Wolken herumwirbelnder Federn übrig waren. Er zog die Schubladen aus der Kommode, leerte sie aus und warf sie auf das zerfetzte Bett. Fassungslos starrte die leere Kommode auf das Chaos. Jack holte die Bügel aus dem Schrank, lauter gestreifte Yuppie-Hemden und ausgefallene Sweatshirts, und trat ein Schuhregal zusammen, bis unzählige Varianten desselben hochhackigen schwarzen Schuhs herausfielen. Im Badezimmer riss er den Medizinschrank von der Wand, zerrte den Duschvorhang herunter und schlug den Spülkasten mit dem Klodeckel ein. Porzellan klirrte, Wasser sprudelte aus der freigelegten Leitung und durchnässte seine Hosen und Schuhe. Hinter seinen Augen nistete sich langsam eine Migräne ein, aber die Zerstörungsorgie hielt sie auf Abstand.
    In einem Zimmer stapelten sich Pappkartons, Möbel gab es keine – als ob Tom und Anna etwas anderes mit dem Raum vorgehabt hätten, das sie nie in die Tat umsetzen konnten. Jack schleuderte einen Kartondeckel nach dem anderen herunter und schüttete den Inhalt aus, Rechnungen, Briefe und Steuerbescheide, die wie ausgeflippte Vögel durch die Luft flatterten. Er riss ein Regalbrett herunter, entdeckte eine Schachtel Fotos und drehte sie um, sah zu, wie sich ein Dutzend Jahre voller Hochzeiten und Weihnachtsfeste und gemütlicher Sonntagvormittage auf den Trümmern verteilten. Dann öffnete er seinen Hosenstall und erleichterte sich darauf. Scheiß auf Tom und Anna Reed. Scheiß auf sie bis in alle Ewigkeit.
    Aus dem Flur ertönte Marshalls Stimme. »Falls dieses Ding da nicht zufällig ein Zauberstab ist, wird es uns wohl kaum weiterhelfen.«
    Jack schüttelte ab und schloss den Reißverschluss. Er sog die Luft in tiefen, gleichmäßigen Atemzügen ein, sollten seine Schläfen doch hämmern. Am liebsten hätte er Gott persönlich ins Gesicht gespuckt. »Nichts in der Küche?«
    »Weder in der Küche noch sonst wo, Mann. Das Geld ist nicht hier.« Marshall hielt inne. »Aber das war dir eh klar, oder?«
    Statt zu antworten, trat Jack in den Flur und sah sich um. In jedem Zimmer war der Boden bedeckt von zerbrochenem Glas und herausgerissenem Füllmaterial, von zerknülltem Papier und umgekippten Möbeln.
    »Hauen wir ab«, sagte Marshall.
    »Eins noch.«
    Die kurze, breite Kerze aus dem Schlafzimmer würde es sicher tun. Jack marschierte in die Küche, wo Pfannen, Töpfe und zerbrochenes Geschirr zwischen Tupperware-Dosen, eingeschweißten Steaks und zerbröselten Vollkornwaffeln lagen. In jeder guten amerikanischen Küche gab es eine Schublade mit Krimskrams. Schließlich entdeckte er ihren Inhalt da, wo Marshall sie ausgeleert hatte, und wühlte sich durch die Gummibänder, Batterien und

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