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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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Teil von ihm Tom und Anna für Bobbys Tod verantwortlich. Wahrscheinlich hatte es mit Will Tuttles Tod zu tun, mit der Tatsache, dass der Typ, an dem er eigentlich hatte Rache nehmen wollen, schnell und schmerzlos abgetreten war statt quälend langsam. Es gab einen Begriff für diese Art zu denken, er hatte da mal was im Nachmittagsprogramm gesehen, irgend so ein psychologischer Ausdruck. Projektion? Übertragung? Egal. Jedenfalls wollte er Tom und Anna, wenn er schon Will nicht kriegen konnte.
    »Bitte?« Marshall fixierte ihn scharf. »Die werden bei den Cops sein.«
    »Möglich.« Als Jack die beiden zum letzten Mal gesehen hatte, waren sie die hintere Treppe hinuntergerannt. »Auch möglich, dass sie durch dieselbe Tür geflohen sind wie wir.«
    »Und wenn schon, wir haben das Geld. Wir brauchen sie nicht mehr.«
    »Aber sie haben uns gesehen. Sie können uns identifizieren.«
    »Das tun sie doch jetzt schon, Mann! Willst du wirklich noch in der Stadt sein, wenn unsere Visagen im Fernsehen gezeigt werden?« Er schüttelte den Kopf. »Du hast einen Cop erschossen. Damit ist Chicago zu klein für uns geworden.«
    »Aber –«
    »Wenn du das durchziehen willst, bist du allein.«
    Der Satz traf ihn hart. Jack blickte seinen Kumpel an, registrierte den eindringlichen, aufrichtigen Blick. Marshall war keiner, der bei der kleinsten Schwierigkeit den Schwanz einzog. Zum ersten Mal kamen Jack Bedenken.
    Wenn er ehrlich war, hatte der Mann gar nicht so Unrecht. Sie hatten das Geld, sie hatten ihre Freiheit, und daran, dass Tom und Anna ihre Gesichter kannten, ließ sich nun auch nichts mehr ändern. Klar, die Vorstellung, dass diese beiden Anfänger einfach so davonkommen könnten, ärgerte ihn gewaltig. Sie sollten dafür bezahlen, dass sie versucht hatten, ihn reinzulegen und auszurauben. Aber gut, mit der Zeit würde er vermutlich lernen, damit zu leben. Jack seufzte. »Schön. Vergiss es. Hauen wir ab.«
    Marshall atmete hörbar aus. »Amen.«
    Jack drückte die Kupplung und legte den widerspenstigen Rückwärtsgang ein. Der Truck stotterte und bebte, aber er bewegte sich. Währenddessen zog Marshall die Pistole aus dem Halfter und ließ das Magazin herausrutschen. »Hast du eigentlich diesen schwarzen Kerl erkannt?« Er kniff die Augen zusammen und zählte die verbliebenen Schüsse. »Das war der Leibwächter von dem Dealer, damals beim Star.«
    »Ohne Scheiß?«
    »Bin mir ziemlich sicher. Aber die anderen Typen kannte ich nicht.«
    »Was hatten die da überhaupt zu suchen?«
    »Keine Ahnung. Noch ein Grund, so schnell wie möglich hier abzuhauen.«
    Jack nickte. Er hasste es, so viel Unerledigtes, so viele lose Enden zurückzulassen, besonders, da es sich vor allem um persönliche Rechnungen handelte. Aber sie hatten gewonnen, sie hatten das Geld. Damit musste er sich zufriedengeben.
    »Und jetzt«, sagte Marshall, als er das Magazin wieder einlegte und die Pistole ins Halfter steckte, »schauen wir doch mal, was wir heute so verdient haben.« Er tastete hinter dem Sitz nach der Sporttasche und zerrte sie vor auf seinen Schoß, während Jack Richtung Süden abbog. Zuerst würden sie die Halsted Street nehmen, um an der Lake Street auf den Freeway zu fahren, und am Nachmittag konnten sie schon in Saint Louis sein. Dort würden sie eine Münze werfen, der Gewinner bekam den Truck. Dann das Geld aufteilen, einander die Hände schütteln und ihrer Wege gehen. Marshall wollte nach Süden, nach Florida, aber für einen mittelalten Polacken war Miami nicht das richtige Pflaster. Scheiß auf Miami, scheiß auf Chicago. Scheiß auf Tom und Anna Reed, auf den Star und die Polizei und den Dealer. Es war an der Zeit, nach Westen zu gehen und den Job an den Nagel zu hängen.
    Da stieß Marshall ein Geräusch aus, eine Art ersticktes Einatmen. »Jack?« Auf seinem Schoß lag die weit geöffnete Tasche, seine Hände krampften sich um das Geld, um die zerknitterten, schmutzig grünen Hunderter, und darunter, deutlich sichtbar, lag die erste Seite der Chicago Sun-Times , darunter die Kante einer weiteren Ausgabe, und noch eine, und immer so weiter … Eine Sekunde lang starrte Jack auf dieses Bild und versuchte zu begreifen, was geschehen war, wie sich sein Geld mit einem Mal in Zeitungspapier hatte verwandeln können.
    Im nächsten Moment stieg er auf die Bremse, riss das Steuer herum und drückte das Gas durch. Die Reifen quietschten, der Motor heulte auf, und der Drehzahlmesser zuckte in den roten Bereich, während der Truck

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