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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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vorsichtig sein«, sagte Tom. »Auf unser Konto könnten wir das Geld jedenfalls nicht einzahlen. Das können sie nachverfolgen.«
    »Hast Recht. Wahrscheinlich sollten wir es nicht mal zu Hause aufbewahren.« Anna bemerkte, dass sie stillschweigend vom Ob zum Wie übergegangen waren. Kurz fragte sie sich, ob sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben sollte, hatte aber keine Lust dazu.
    »Vielleicht ein Schließfach oder so?«, schlug Tom vor.
    »Oder wir lassen es in bar. Behalten unsere Jobs und zahlen die ganzen Rechnungen mit Schecks.«
    Tom nickte und starrte wieder auf den Geldhaufen. Auch Anna versank in den Anblick, ihre Augen glitten an den Kanten der Scheine entlang. Die Geometrie der Freiheit – abgenutztes Grün, fleckig vom Schweiß unzähliger Menschen, zerknittert vom Lauf der Zeit. Im Haus herrschte absolute Stille, bis auf den Wind und ihre Atemzüge. Und das leise, unermüdliche Ticken der Uhr im Schlafzimmer.
    Anna blickte auf und ihre Augen trafen sich. In diesem Moment wusste sie, dass die Diskussion beendet war.
     
    Sie blieb unten in der Küche, um aufzuräumen und zu putzen, während Tom die Treppe hochlief. Er musste etwas finden, in dem sie es verstauen konnten. Irgendwas, in dem man dreihundertsiebzigtausend Dollar verstauen konnte! Tom wurde von einem heftigen Verlangen gepackt, in Kichern auszubrechen, nicht in Lachen, sondern in Kichern, wie ein kleines Kind oder ein Wahnsinniger. Es war einfach nur verrückt. Alles.
    Im Schrank auf dem Flur stieß er auf seine Sporttasche. Er zog den Reißverschluss auf und drehte die Tasche um, schüttelte verschwitzte Shorts und Schuhe auf den Boden. Erst bückte er sich, um die Klamotten einzusammeln, doch dann sagte er sich, scheiß drauf, und kickte sie einfach wieder halbwegs in den Schrank. Irgendetwas tobte in seiner Brust, eine nervöse, wilde, lebendige Freiheit. Die Treppe runter, drei Stufen auf einmal. Jede Delle, jede glattpolierte Stelle auf dem Geländer registrierte er, ja sogar den Geschmack der Luft, die er gierig einsog.
    Zurück in der Küche stapelte er das Geld in die Sporttasche, während Anna die verschütteten Lebensmittel zusammenkehrte. Die Bündel fühlten sich abgenutzt an, wie alte Bettlaken. Sie rochen nach Menschheit, geölt von Hunderten Geldbeuteln, von Tausenden Händen. Tom legte das letzte Bündel in die Tasche und schloss den Reißverschluss. »Ganz schön schwer. Ich wusste gar nicht, dass Geld so viel wiegt.«
    Anna stützte sich auf den Besen. »Wo sollen wir es hintun? Vorerst, meine ich?«
    »Vielleicht in den Wäscheschrank, unter die Laken?«
    »Ich weiß nicht. Wenn wir es bei uns in der Wohnung haben …«
    »Und was ist mit dem Keller? Wenn sie es dort finden, sieht es aus, als hätte er es selbst da unten versteckt.« Tom sah, wie sie zusammenzuckte. »Ich mein ja nur –«
    »Nein, nein, du hast ja Recht.« Aber sie wirkte nicht sehr überzeugt.
    »Was ist mit dem Kriechkeller? Du weißt schon, dieser Schacht mit den ganzen Rohren? Wir könnten die Verkleidung abnehmen, und dann schieben wir die Tasche ganz tief rein. Da findet man sie nur, wenn man wirklich sorgfältig sucht. Und wenn sie schon so sorgfältig suchen, wissen sie sowieso von dem Geld. Dann wäre es eh besser, wenn sie es finden.«
    Anna biss sich auf die Lippen und nickte.
    Als das Geld verstaut war und Tom wieder die Kellertreppe hochstieg, war auch Anna fast fertig. Die Schachteln und Tüten hatte sie entsorgt, die Schranktüren geschlossen, den Boden von Haferflocken, Zucker und Cornflakes gesäubert. Tom blickte sich um. »Was ist mit dem Herd?« Dort türmten sich noch immer die Mehlberge und bestäubten die angrenzende Arbeitsplatte, wenn der Wind auffrischte.
    »Es muss doch so aussehen, als hätten wir das Feuer gelöscht, die Leiche gefunden und gleich die Cops gerufen. Da hätten wir wohl kaum vorher das Mehl zusammengekehrt, oder?«
    Ein guter Einfall. Für diese Cleverness liebte Tom seine Frau – tatsächlich war das einer der Gründe, warum er sich damals in Anna verknallt hatte. Tom tendierte dazu, Probleme ohne viel Nachdenken anzupacken, aber sie konnte verschiedene Blickwinkel einnehmen und zu überraschenden Lösungen kommen. Jetzt trat er einen Schritt vor und zog sie an sich. Anna erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich, schlang ihm die Arme um den Rücken und drückte die Hüften gegen seinen Unterleib. Weich und feucht schob sich ihre Zunge in seinen Mund, und ihm wurde heiß. Jede Berührung spürte er, den

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