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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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eine halbe Stunde brauchen. Danach sollten wir die Leiche langsam hier raus haben.« Er sah hinüber zum Herd. »Eine gute Entscheidung übrigens, das Feuer nicht mit Wasser zu löschen. Aber wenn Sie nochmal in diese Lage kommen, nehmen Sie lieber Natron statt Mehl.«
    »Warum?«
    »Ob Sie’s glauben oder nicht, Mehl kann explodieren.«
    »Wirklich?«
    Halden nickte, schlug eine Mappe auf und fing an, sich Notizen zu machen. »Und wie. Sie hatten wirklich Glück mit dem Mehl.«
    Fast wäre Anna in hysterisches Gelächter ausgebrochen, doch sie riss sich im letzten Moment zusammen. Mit einem Blick auf Tom erkannte sie, dass er dasselbe dachte wie sie, dass er innerlich mit einem ähnlich panischen Lachanfall kämpfte. Den Blick fest auf ihren Mann gerichtet, endlich wieder vereint, endlich wieder untrennbar verbunden wie früher, sagte sie – und sie genoss jedes einzelne Wort: »Was Sie nicht sagen, Detective.«
     

4
     
    Jack Witkowski saß auf einem Hocker am Ende der Bar und blickte durch das schmale Fenster auf den Wohnblock an der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Vorhänge waren zugezogen, und vor fast fünf Minuten war auch das blaue Licht erloschen, das zuvor dahinter geflackert hatte.
    »Noch einen für euch zwei?«
    Das Mädel hinter der Bar sah aus, als hätte sie sich zu viele Jahre hintereinander die Haare gefärbt – keine gute Idee. Jack schüttelte den Kopf, doch Marshall sagte: »Nicht für mich, Süße, aber mein Kumpel braucht noch ’ne Runde.«
    »Woher willst du das wissen? Hab ich irgendwas gesagt?«
    »Das war nicht nötig.«
    »Was zur Hölle soll das jetzt wieder heißen?«
    »Du hast an Bobby gedacht.« Marshall nahm das Whiskeyglas, das vor ihm stand, und hielt es Jack unter die Nase. »Ein Drink ist nie verkehrt.«
    »Dann trink doch!«
    Marshall schüttelte den Kopf, stellte das Glas ab und starrte ebenfalls aus dem Fenster.
    »Willst du vielleicht irgendwas loswerden?« Jack war klar, dass er seinem Kumpel Unrecht tat, dass er seinen Frust nur deshalb an Marshall ausließ, weil der eben das Pech hatte, gerade in der Nähe zu sein – aber das war ihm egal. Drei Wochen waren seit Bobbys Tod vergangen, und der Schmerz hatte kein bisschen nachgelassen. Und das Schlimmste war: Jedes Mal, wenn er an seinen Bruder dachte, also praktisch immer, hatte Jack ihre letzte Unterhaltung im Ohr – damals im Auto, als er Bobby erzählte, dass alles gutgehen würde, dass er ein harter Kerl war.
    Aber das war er eben nicht, war es nie gewesen. Bobby war ein kleiner Dieb, ein Leichtgewicht, das sich einen Job für Schwergewichtler auf halste, weil ihn sein großer Bruder darum gebeten hatte. Jetzt war er tot, erschossen in irgendeiner dunklen Gasse, in der er überhaupt nichts verloren hatte. Und alles, was Jack blieb, war die Erinnerung daran, wie er seinen kleinen Bruder dazu überredet hatte.
    Die Barkeeperin tauchte auf und stellte einen Tequila und eine Flasche Negra Modelo vor ihm auf die Theke. Marshall streckte zwei Finger aus, dazwischen steckte ein zusammengefalteter Zehner. Nachdem sie sich den Schein geschnappt hatte, kehrte sie ans andere Ende der Bar zurück und schlug ihren Roman auf.
    Schweigend beobachtete Jack, wie das rote Neonlicht auf dem braunen Glas der Bierflasche schimmerte. Es roch nach abgestandenem Rauch und angebranntem Kaffee.
    Marshall tippte mit dem Finger auf den Rand seines Whiskeyglases, schob es aber ein Stückchen von sich weg, anstatt zu trinken. »Was soll ich sagen. Mir tut’s leid, dass es so gelaufen ist. Bobby war ein guter Junge.«
    Jack sagte nichts.
    »Aber jetzt krempeln die Cops die ganze Stadt um. Will hat uns in den Arsch gefickt. Seit sie Bobby gefunden haben, interessieren sich die Bullen natürlich brennend für seine Kollegen. Das ist dir doch klar, oder? Jedenfalls steht dein Name ganz oben auf der Liste. Genau wie meiner. Wie gesagt, es tut mir leid, dass er tot ist, aber wir haben nun mal keine Zeit zum Rumheulen. Bobby war ein guter Junge, nur eben kein Profi, und deshalb ist er jetzt tot. So ist das Leben.«
    »Du hörst mir jetzt ganz genau zu«, sagte Jack und kippte den Tequila herunter, wie es sich gehörte – ohne Salz, ohne Limette. »Wenn du noch ein einziges Mal so einen Scheißdreck redest oder meinem Bruder in irgendeiner Weise den nötigen Respekt verweigerst, haben wir beide ein Problem.« Er sah sich kurz um. »Du willst also ein Profi sein? Dann überleg mal ganz scharf: Wir vier hätten da gemeinsam rausgehen

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