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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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Reed und wühlte wie wild in einem Schrank. Jetzt schloss er den Schrank und wandte sich dem nächsten zu, dann wieder dem nächsten, um danach die Regale durchzukämmen. Offensichtlich hatte der Typ alles um sich herum vergessen, so dass Marshall in aller Ruhe ein paar Minuten zuschauen konnte.
    Als er genug gesehen hatte, ging Marshall denselben Weg zurück zum Auto. Er stieg ein, seufzte nachdenklich und schaute sich um: ein Kaffeebecher im Cupholder, ein Stapel Briefe auf dem Beifahrersitz, ein Duftbaum mit Kirschgeruch am Rückspiegel.
    Tom Reed wollte nicht einfach nur wissen, was sein ehemaliger Mieter so hinterlassen hatte. Er räumte nicht auf, er überlegte nicht, was man verkaufen konnte und was in den Müll wandern würde. Nein, er suchte etwas.
    Marshall ließ den Motor an und fuhr los.
     
    Tom überprüfte jeden Schrank und jedes Regal. Er tastete jede Schublade ab, zog jede einzeln heraus und sah dahinter nach. Er drehte die Matratze um, entfernte das Laken und suchte ihre Oberfläche nach Nähten ab. Er steckte die Hände in die Taschen aller Jacken und Hosen. Er öffnete den Gefrierschrank, schloss ihn wieder und öffnete ihn nochmal, um die verschiedenen Behältnisse zu kontrollieren.
    Er hob den Deckel vom Spülkasten, aber es war nichts darin eingeklemmt. Er leuchtete mit der Taschenlampe in den schmalen Kamin. Er schleppte die ausziehbare Leiter nach oben und kletterte durch die Luke aufs Dach. Er trug den Werkzeugkasten in die Küche und schraubte die Rückwand des Ofens ab. Er spähte in den Hohlraum hinter dem Medizinschrank.
    Denk nach.
    Wenn die Drogen jemals hier waren, sind sie spätestens seit dem Einbruch nicht mehr hier.
    Denk nach, Mann. Versuch, das große Ganze zu sehen.
    Okay, probieren wir es mit Logik: Wenn die Drogen nicht hier sind, muss Tuttle sie an einem anderen Ort versteckt haben.
    Dieser Gedanke verlieh ihm einen Schub frischer Energie. Tom kehrte in die Wohnung zurück und suchte nach Hinweisen, angefangen bei den Brief kästen. Ihr eigener war seltsamerweise völlig leer, aber der andere war vollgestopft mit Katalogen und Werbebriefen, alle an einen Bill Samuelson gerichtet. In der Küche lag ein Einkaufszettel (Eier, Olivenöl, Zigaretten) und eine Tribune von vor einer Woche, daneben ein paar eselsohrige Speisekarten von Pizzaservice, Asiate und Co. Im Badezimmer fand Tom eine Ausgabe von Perfect 10 , auf dem Cover der stolze Spruch: »Die schönsten Frauen der Welt – garantiert ohne Schönheits-OP!«. Und, über die ganze Wohnung verteilt, zehn oder zwölf Streichholzbriefchen aus zehn oder zwölf Bars.
    Was er nicht fand, war ein Schlüssel für ein Schließfach. Oder ein Terminkalender. Oder ein kleines Adressbuch voller Telefonnummern, von denen eine rot umrandet war. Oder eine Schatzkarte mit einem dicken, fetten Kreuz in der Mitte.
    Vor allem fand er keine Drogen, und keinen einzigen Hinweis darauf, wo Tuttle sie gebunkert haben könnte. Nach dreieinhalb Stunden konnte er sich nur über eines sicher sein: Was auch immer der Mann im Anzug wollte, es befand sich nicht in diesem Haus.
     
    Also blieb nur noch ein Ausweg.
    Tom bemerkte einen Dreckrand unter seinem Daumennagel und pulte den Schmutz mit dem Nagel des Mittelfingers heraus. Saurer Schweißgeruch stieg ihm in die Nase, sein weißes Hemd war durchnässt. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte kurz nach fünf. Bald würde Anna vom Babysitten heimkehren – immer eine schwierige Situation für sie. Sie liebte den Kleinen, das Äffchen, von ganzem Herzen; aber zu sehen, dass ihre Schwester hatte, was sie sich so sehr wünschte, war hart. Meistens war sie völlig aufgewühlt, wenn sie nach Hause kam, oft sogar kurz vorm Heulen.
    Der Mann im Anzug hatte ihm keine Gnadenfrist gesetzt. Er hatte nicht gesagt, dass Tom die »Ware« in achtundvierzig Stunden bereithalten sollte, oder irgendetwas dergleichen. Warum auch? Er wusste, dass Tom sofort nach Hause rasen und die Wohnung auf den Kopf stellen würde. Darauf konnte er zählen. Wahrscheinlich würde er ihm diesen Tag Zeit lassen, vielleicht noch den nächsten – länger zu warten, ergab wirklich keinen Sinn. Entweder konnte Tom liefern, oder er konnte nicht. Was bedeutete, dass schon sehr bald zwei sehr gefährliche Männer vorbeikommen würden, um etwas einzufordern, das er schlichtweg nicht besaß.
    Tom atmete ein, hielt den Atem an und ließ die Luft langsam ausströmen. Er musste Ruhe in seine Gedanken bringen. Klar, er hatte Angst, aber das war nicht

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