Im Bann der Dämonin
existieren.
Grundsätzlich war Brandon gegen die Rückführung. So wie Arielle normalerweise auch. Zu gerne wüsste er, warum sie in diesem Fall darüber nachdachte. Doch es war jetzt keine Zeit,sie danach zu fragen. Jetzt musste er die Dämonin fassen und zurück in die Vereinigten Staaten bringen.
„Michael, bitte schick mir ihre Akte per Secure-Mail zu. Ich werde mich selbst nach Venedig begeben. Auf dem Flug habe ich genug Zeit, mich zu briefen.“
„Wieso du?“, fragte Arielle bissig. „Weil ich die Sache erledigen kann.“
Keiner der versammelten sechzig Engel widersprach ihm. Er wollte nicht überheblich wirken, aber jetzt lief ihnen die Zeit davon, und in der Vergangenheit hatte er immer wieder festgestellt, dass es sich auszahlte, offen und ehrlich mit Arielle umzugehen.
Michael nickte.
Ihre Frustration konnte Arielle nicht verbergen. „Gut, dann mach du es auf deine Art. Du wirst natürlich mit meinem Team zusammenarbeiten. Wir haben Luciana zuletzt gesehen und …“
„Ich arbeite allein“, unterbrach Brandon sie.
Das wusste jeder Engel aus der Chicagoer Einheit.
„Als Supervisor sehe ich mich als Gruppenführer und Teamplayer“, erklärte er. „Ich sorge in meiner Einheit für ein Umfeld, das auf Vertrauen aufbaut. Mein System funktioniert so gut, dass meine Einheit vollkommen selbstständig funktioniert. Es kommt selten zu Unstimmigkeiten. Wir behandeln uns alle als ebenbürtige Partner, gleichwohl stehe ich jüngeren Engeln als Ratgeber zur Verfügung, wenn sie Hilfe brauchen. Mein Führungsstil ist nicht autoritär und detailorientiert.“ Er hielt inne, räusperte sich. „Aber draußen beim Einsatz sieht das anders aus.“
Wenn Brandon Clarkson auf einer Mission war, arbeitete er grundsätzlich allein.
Er war allein undercover unterwegs, nahm nie jemanden mit. Nach dem traumatischen Erlebnis seines menschlichen Todes wollte er keinen anderen Engel dem Risiko aussetzen, dem er sich selbst aussetzte. Denn er wollte nicht zulassen, dass ein andererein ähnliches Leid erfahren musste, wie er es damals erlitten hatte.
„Ich mache das allein“, wiederholte er.
Arielle blinzelte entschlossen und presste die Lippen so fest aufeinander, dass ihr Mund fast verschwand. Doch sie gab noch nicht auf. „Diese Angelegenheit ist überaus wichtig. Du brauchst ein Sicherungsteam. Oder nicht, Michael?“
Brandon verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie auf der Leinwand so intensiv an, als wären sie im selben Zimmer. „Arielle, wenn ich schon deine Fehler ausbügeln soll, überlass doch einfach mir, wie ich es mache.“
„Es gibt gewisse Regeln im Kampf Engel gegen Dämonen. Regeln, die man nicht …“
„… brechen darf?“, beendete Brandon den Satz für sie. „Wen interessiert’s? Regeln sind dazu gemacht, um gebrochen zu werden.“
„Aufhören!“, schaltete Michael sich ein. „Die Kompanie darf nicht geschwächt dastehen. Es ergibt wenig Sinn, wenn wir untereinander uneins sind.“
„Dann melde dich wenigstens bei Infusino, unserem Kontakt von der venezianischen Einheit. Er kann helfen.“ Arielle ließ einfach nicht locker.
„Ich brauche keine Hilfe. Wie gesagt: Ich werde die Sache alleine erledigen.“
In Arielles Augen loderte wilde Entschlossenheit, und er wusste, dass sie gleich stichhaltige Gründe anführen würde, um dagegenzuhalten. Er kannte Arielles langwierige Argumentationen von früher. Heute Nacht würde er sich das sicher nicht anhören.
Also brach er einfach die Verbindung mit der Videokonferenz ab, noch bevor sie anfangen konnte.
Der Bildschirm war jetzt schwarz. In den Lautsprecher rief er: „Tut mir leid, Arielle. Technische Probleme. Michael, ich melde mich, sobald ich wieder auf amerikanischem Boden bin.“
„Warte“, ertönte da eine Stimme, die Brandon unbekannt vorkam. „Ich bin Julian Ascher, das neueste Mitglied in der Einheit von L. A.“
In Chicago sahen sich die Schutzengel verwundert an. Julian Ascher, der ehemalige Erzdämon, war vor Kurzem nach beinahe zweihundertfünfzig Jahren als Dämon zur Kompanie der Engel konvertiert. Dazu gebracht hatte ihn eine von Arielles Schützlingen, ein frischgebackener weiblicher Engel, dessen Unschuld und Naivität in der Kompanie einzigartig waren. Nicht jeder war mit Arielles Entscheidungen im Fall Julian Ascher einverstanden gewesen, und ihre Vorgehensweise war innerhalb der Kompanie mehrfach diskutiert worden.
Sei nicht voreingenommen, ermahnte Brandon sich selbst. Es ist nicht
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