Im Bann der Dämonin
immer in den Tiefen der Hölle brannten.
„Bald“, flüsterte sie den Schlangen zu, „aber nicht heute Nacht.“
Luciana rühmte sich damit, für jeden Anlass das passende Gift parat zu haben, natürlich selbst zusammengemischt. Mit Gift konnte man Ergebnisse erzielen, die mit keiner anderen Mordmethode denkbar waren. Gift war das Erbe von Italiens Herrschergeschlechtern, wie den Borgias oder den Medici, und die Giftmischerei war eine hohe Kunst. Zu wertvoll, um unbeachtet zu bleiben.
Ihr Blick glitt über die verschiedenen Flaschen und Phiolen.
Arsen. Das Lieblingsgift der Borgias. Zu langsam in der Wir- kung. Heute Nacht musste es schneller gehen.
Schierling. Das Gift, das Sokrates getötet hatte.
Strychnin. Eindeutig zu melodramatisch. Verursachte un- nötig viele Zuckungen und Krämpfe. Manchmal genoss sie das, aber heute Abend sollte es etwas Einfacheres sein.
Luciana hielt eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit ge-gen das Licht.
Zyanid.
Perfetto . Das perfekte Gift für jede Gelegenheit. Sauber, effektiv und unglaublich schnell wirksam. Klassisch und zeitlos. Das Chanel unter den Giften.
Sie füllte eine kleine Menge Strychnin in eine zweite Phiole ab. Genau wie Parfum, dachte sie, als sie das kleine Glasgefäß an der Goldkette um ihren Hals befestigte. Ein kleines bisschen für eine große Wirkung.
Als die Boeing 747 abhob, als sich diese vielen Hundert Tonnen Metall samt Passagieren und Fracht in die Lüfte erhob, sah Brandon zu, wie die Lichter von Chicago unter ihm immer kleiner wurden und schließlich verschwanden.
Jeder Flug ist eine Sache des Vertrauens, dachte er.
Auch ein Vogel musste Vertrauen haben, wenn er fliegen wollte. Vertraute sich der Luft an und baute darauf, dass seine Flügel ihn tragen würden. Nicht anders verhielt es sich mit einem Flugzeug, das über die Startbahn donnerte, um schließlich abzuheben. Und auch jede Mission erforderte dieses blinde Vertrauen.
Vertrau darauf, dass die göttliche Kraft dich leiten und dich dorthin führen wird, wohin du gehen musst .
Diesem Prinzip gemäß hatte er sein Leben lang gearbeitet.
Und jetzt saß er auf seinem Platz in dem großen Flugzeug, das unter ihm erzitterte, und Angst stieg in ihm auf. Angst davor, einzuschlafen. Er mochte es nicht, vor anderen Leuten zu schlafen, wenn ihn sein unvermeidlicher Albtraum ungeschützt vor neugierigen Blicken heimsuchen würde.
Als die Maschine die Reiseflughöhe erreicht hatte, studierte er Lucianas Akte auf seinem Laptop und ging die verschiedenen Dokumente durch, die mit ihrem Fall zu tun hatten.
Er betrachtete die unscharfen Fotos und ertappte sich plötzlich dabei, wie fasziniert er von ihrer weißen Haut und ihren grünen Augen war. Ihr schönes Gesicht fesselte ihn, trotzder missmutigen Miene, die sie offensichtlich immer zu haben schien.
„Schönheit kann trügerisch sein.“ Das war eine der ersten Lektionen, die Brandon als Engel von Arielle gelernt hatte. Obwohl sie sich dauernd über ihn ärgerte und er ihren Führungsstil nicht guthieß, wusste Arielle sehr genau, was sie tat. „Setz Schönheit niemals mit dem Guten gleich, auch wenn sie dir engelhaft vorkommt. Auch Dämonen können sich der Schönheit bedienen. Sie imitieren das Göttliche gern. Auch Dämonen fühlen sich von Schönheit angezogen. Und sie lieben es, sie zu zerstören.“ Das waren ihre Worte gewesen.
Luciana Rossetti war eine außergewöhnliche Schönheit. Und offensichtlich gefiel es ihr, außerordentliche Schönheit zu zerstören.
Wie er ihrer Akte entnahm, war ihr menschliches Leben bemerkenswert traurig gewesen, gekennzeichnet von Betrug und familiären Tragödien. Doch trotz ihrer tragischen Geschichte konnte er nichts als Abscheu für diese Frau empfinden. Gut, sie hatte es nicht leicht gehabt. Doch die Entscheidungen, die sie getroffen hatte, waren alle schlecht gewesen. Er las ihre Biografie, und je mehr er über sie erfuhr, desto mehr widerten ihn die Details ihrer grausigen Taten an. Vor allem ihre Opfergaben glichen Gräueltaten. Schließlich überflog er einen Artikel in ihrer Akte, der sich mit der Geschichte des Erlöserfestes befasste.
Zwischen 1575 und 1577 kam es in Venedig zu einem verheerenden Ausbruch der Pest, und über ein Drittel der Bevölkerung kam dabei um. Die Chiesa del Santissimo Redentore, die Kirche des Heiligsten Erlösers, wurde von den Bewohnern als Dank für die Befreiung von der tödlichen Krankheit gestiftet .
Am dritten Wochenende im Juli begehen die
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