Im Bann der Dämonin
so übel, dass sie sich hätte übergeben können.
„Nenn diesen Namen in meiner Anwesenheit nie wieder“, zischte sie ihrem Diener zu, unfähig, ihre Wut zu verbergen. „Selbstverständlich, baronessa . Es tut mir leid, ich …“
Sie riss sich so sehr zusammen, dass es wehtat, und presstedie Zähne so fest aufeinander, dass sie befürchtete, sie könnten abbrechen. Dann drehte sie sich zu Massimo um. „Wenn du es unbedingt wissen willst: Julian ist zu den Engeln übergelaufen.“
„Das heißt, er ist gestorben?“
„Nein. Er wurde“, sie machte eine kleine Pause, bevor sie verächtlich das Wort ausspuckte, „erlöst und ist der Kompanie der Engel beigetreten.“
Der Türhüter sagte nichts mehr. Er wusste, dass er besser keine weiteren Fragen mehr stellte.
Luciana wandte sich wieder um und schritt die Treppe hinauf. Sie versuchte, nicht an Julian zu denken. Was ihr nicht gelang.
„Möchten Sie sich vielleicht etwas hinlegen, baronessa ? Vielleicht sollten Sie noch ein wenig schlafen.“
Doch sie hatte noch einiges zu erledigen, bevor der Abend kam. Sie berührte das kleine Fläschchen, das an einer Kette um ihren Hals hing.
„Das Böse schläft nie, Massimo.“
In ganz Venedig war man mit den Vorbereitungen für das Fest befasst.
Auch Luciana musste Vorkehrungen treffen. Für ihre Opfergabe. Für ihren persönlichen Gottesdienst.
Und dieser Gott war nicht der Erlöser.
Im dritten Stock der Casa Rossetti folgte Luciana einem langen Flur bis zu einem kleinen Zimmer am Ende des Ganges.
Obwohl dieses Zimmer so klein war, war es eines ihrer Lieb-lingszimmer.
Die Fenster eröffneten den Blick auf den Canal Grande, und ab dem späten Vormittag schien die Sonne herein. Unten auf dem Kanal glitten die Gondeln und Vaporetti entlang, die Transportschiffe und Fischerboote. Niemand ahnte, was im Inneren des Palazzo vor sich ging. Was seit Jahrhunderten dort vor sich ging.
Die hohe Kunst des Giftmischens.
„Du hast alles in dem Zustand belassen wie aufgetragen?“, erkundigte sich Luciana, während Massimo die Tür ihres Labors öffnete.
„Ja, baronessa .“
„Vielen Dank, Massimo. Du kannst dich jetzt zurückziehen.“ „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, baronessa , würde ich Ihnen gern zur Hand gehen.“
Anscheinend wollte er auf sie aufpassen, doch nach ihren Erlebnissen in Amerika musste sie jetzt allein sein, um einen klaren Kopf zu bekommen. Um nachzudenken. „Alles in Ordnung. Ich rufe dich, wenn ich dich brauche.“
Mit einer Handbewegung scheuchte sie ihn davon.
Er zögerte, verbeugte sich dann aber und ging.
Ja, die Türhüter hatten ihre Sache auch hier gut gemacht. Sie sah sich in dem ordentlich aufgeräumten, kleinen Raum um. Getrocknete Blüten und Pflanzen, Belladonna- und Narzissenzwiebeln hingen von der Decke. Ein Glaskolben und ein Gasbrenner, den sie zum Destillieren benutzte, standen auf einer Seite ihres Arbeitstisches. Auf der anderen befand sich eine sorgfältig geordnete und beschriftete Sammlung von Flaschen und Flakons. Auf den Etiketten waren Namen wie Skorpion, Tarantel, Schwarze Witwe zu lesen.
„Buongiorno, bambini“ , rief sie und beugte sich über ein Terrarium, in dem sich zwei Grüne Mambas tummelten. Zwei Paar grüne Knopfaugen fixierten sie, zwei gespaltene Zungen schossen wie zum Gruß hervor.
Neben anderen Giften war auch das Gift der Mambas in der kleinen Phiole enthalten, die Luciana um den Hals trug. Es waren viele Monate mit Herumexperimentieren vergangen, bis sie die richtige Mischung gefunden hatte. Darin waren einige der seltensten Gifte enthalten – stark genug, um einen Dämon zu töten. Das erste Opfer war ein Dämon von niederem Rang gewesen, der als Page in Corbin Ranulfsons Hotel in Las Vegasgearbeitet hatte. Er war schnell gestorben.
Würde man den Inhalt der Phiole einem menschlichen Wesen verabreichen, könnte man von einem „Overkill“ sprechen. Jetzt nahm Luciana die Kette ab und steckte die Phiole in die leere Kappe eines goldenen Lippenstiftröhrchens, das sie in ihre Tasche gleiten ließ.
Dieses Gift musste für einen anderen Einsatz aufbewahrt werden.
Für einen Einsatz, der sie am Ende für alles belohnen würde. Für all ihre harte Arbeit und das erlittene Leid. Für die Erniedrigung und den Schmerz. Für all die Risiken, die sie auf sich genommen hatte. Für das schier endlose Warten.
Ihre alten und neuen Feinde würden im Tod schreiend ihren Namen rufen.
Ihr Name würde in ihrer Erinnerung widerhallen, wenn sie für
Weitere Kostenlose Bücher