Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
Altar vorzufinden, starrte mit offenem Mund auf tiefschwarzes Gestein. Erstaunt ging er rückwärts, bis er gegen das Ende des Tunnels stieß, und legte seinen Kopf in den Nacken. Nicht mehr als zehn Schritte entfernt durchbrach eine mächtige, düstere Felswand, viel größer und breiter als die hohe Mauer um seine elterliche Villa, den zu beiden Seiten liegenden Sandstein. Kein Wunder, dass die Lemuren nicht weiter versucht hatten, die Blitzröhre fortzuführen. Das Massiv schien undurchdringlich.
»Das soll der Schrein sein?«, rief er Loo ungläubig zu, der an einen Pfosten gelehnt saß, um einen kleinen Stein aus seinem Schnabelschuh zu schütteln.
»Nein, der Schrein ist dahinter!«, rief Loo zurück und schlug ärgerlich auf die Schuhsohle ein. »Das ist nur der Eingang.«
»Was? Wo denn? Ich seh keinen Eingang, nur diese Wand und die Schilder!«, meinte Timothy verständnislos und bückte sich, um eine der halb verrotteten Hinweistafeln aus dem Dreck zu ziehen.
»Betreten STRENGSTENS verboten! – LEBENSGEFAHR!«, las er mit Schaudern und spürte, wie schlagartig das altgewohnte Zittern von seinen Beinen Besitz ergriff. Oh nein, bitte nicht schon wieder , stöhnte er in Gedanken und befahl sich stehenzubleiben. Dabei vergrub er seine Füße in dem aufgeweichten Boden, legte sein ganzes Gewicht auf sie, bis das Zittern tatsächlich langsam nachließ und seine Beine ihm wieder zu gehorchen schienen.
Vorsichtig ging er einen Schritt auf die Felswand zu, obwohl alles in ihm danach schrie, durch die Blitzröhre zurück zu Kuriats Haus zu laufen, durch das Portal zu schlüpfen und sich in sein Bett zu flüchten. Als er es jedoch schaffte, zwei weitere Schritte auf das düstere Massiv zuzugehen, verschwand seine Angst gänzlich und das Zittern mit ihr.
Ich kann es beherrschen … Ich kann es wirklich beherrschen! , dachte Timothy erleichtert, sah jedoch verunsichert zu Loo hinüber, in der Hoffnung, sein Freund möge nicht bemerkt haben, dass er selber kurz davor war, ihn im Stich zu lassen.
Loo, der den Stein inzwischen aus seinem Schuh verbannt hatte, grunzte nur zufrieden, um sodann kopfschüttelnd auf Avy zuzusteuern, die die dunkle Felswand augenscheinlich nach etwas absuchte.
»Mädchen! Kein Auge für das Wesentliche!«, hörte Timothy ihn schimpfen und schlenderte so beiläufig wie möglich zu seinen Freunden rüber.
»Siehst du etwa den Eingang?«, fauchte Avy zurück, gerade als Timothy sie erreichte.
»Licht!«, polterte Loo und zeigte auf die weit über ihnen liegende Decke, die mit einem flechtenartigen, fluoreszierenden Gewächs überspannt war. »Und Schatten!«, schlussfolgerte er, mit einem Fingerzeig auf einen unscheinbaren Spalt, der sich nur schwächlich als Schatten vom dunklen Gestein abhob.
Avy klopfte Loo anerkennend auf die Schulter. »Den Feen sei Dank! Durch diesen Fels zu permatieren, hätten wir nie geschafft! Das war ziemlich gut, Color!«
Loo trat verlegen von einem Bein aufs andere. »Tja, wir Coloren sind halt doch zu was nutze!«, meinte er unbeholfen, nur seine roten Wangen verrieten, wie sehr ihn Avys Kompliment freute. »Bevor wir durch den Spalt gehen«, wechselte Loo schnell das Thema, »folgende Regeln – Jeder von uns zieht nacheinander immer nur eine Schublade auf. Falls wirklich noch in einer ein Fluch stecken sollte, können die anderen zumindest Hilfe holen. Alles klar?«
»Alles klar!«, sagte Avy ernst. Plötzlich presste sie warnend den Finger auf die Lippen. »Pssst! Hört ihr das auch?«
»Was?« Loo sah sich um.
»Na das Klackern! Es muss aus der Blitzröhre kommen!«, raunte Avy den anderen zu, die mit angehaltenem Atem lauschten.
»Das sind Schritte, oder?«, quiekte Loo. »Es muss der Vine sein, oder es sind Homorden!«
Timothy blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem Geröllhaufen, durch den sie sich kurz zuvor den Weg gebahnt hatten. Zunächst sah er nichts als tiefe Schwärze, doch die Schritte wurden eindeutig lauter, und plötzlich schob jemand aus dem Inneren der Röhre einen weiteren Stein nach.
»Laaaaaauuuuuft!«, schrie Avy überflüssigerweise, da Loo und Timothy bereits mit vibrierenden Beinen auf den Spalt zuflogen, und stolperte hinter ihren Freunden her.
Der Eingang war gerade breit genug, dass Loo seinen kugeligen Bauch hindurch quetschen konnte. Timothy verharrte noch einen Augenblick, bis auch Avy ihn erreicht hatte, dann glitt er hinter ihr durch die Felswand, nicht ohne einen letzten Blick über seine Schulter zurück
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