Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
»… den Bart um ein gutes Stück gestutzt habe, kommt mein markantes Kinn viel besser zur Geltung. Die wenigen …«, säuselte eine selbstverliebte Stimme direkt darüber. »… seine Augen sind genauso blau, wie das Meer sein muss … Wir haben uns bei den unterirdischen Seen geküsst und …«, flötete eine andere ein wenig unterhalb.
Nachdem die Freunde sich sämtliche möglichen und unmöglichen Gedanken angehört hatten, die sie von dem Felsvorsprung aus erreichen konnten, sahen sie schließlich ein, dass es doch sinnvoller war, getrennte Wege zu gehen, auch wenn sie dabei in Rufweite bleiben wollten.
Loo war kurze Zeit später hinter einer spitzen Kehre verschwunden und anscheinend auf übermäßig witzige Gedanken gestoßen, denn Timothy hörte seinen Freund immer wieder in laut schallendes Gelächter ausbrechen. Avy hingegen hatte es gewagt, sich an einem der Seile auf ein kleines Plateau unter ihnen herabzulassen, und stieß ständig wütende Flüche aus, weil die unnachgiebige Fulgerflechte sich hartnäckig weigerte, weitere Schubladen freizugeben, und Timothy war in einen der Bogengänge abgetaucht, wobei er mehrere Dutzend der Gedankenfächer öffnete, aber nichts als unnütze Liebesschwüre, Kochrezepte und einen endlosen Monolog über die optimale Pflege eines Bartes zu Ohren zu hören bekam. Aus lauter Enttäuschung wünschte er sich inzwischen schon fast, auf einen Fluch zu stoßen. Einerseits war ihm klar, dass er sich davor fürchten musste, aber anderseits interessierte ihn wirklich brennend, wie Flüche so funktionierten.
Missmutig zog er mit ausgestrecktem Arm die letzte Schublade aus einem Stützpfeiler und lauschte nichts als einem regelmäßigen Schnarchen. Anscheinend war dieser Lemur über seinem Gedanken eingeschlafen.
»Na, hervorragend – wir könnten Wochen hier verbringen und würden Hartlefs Erinnerungen nicht finden«, murmelte Timothy entmutigt. »Zumindest scheint Loo seinen Spaß zu haben – Loo? Was zum Henker ist so komisch?«, rief er laut in die Richtung, aus der nach wie vor glucksende Laute kamen. »Loo!«
Timothy stieß ärgerlich die schnarchende Schublade zu und folgte Loos Gelächter aus den Arkaden heraus. Er kam einen schmalen Pfad entlang, der ihn einige Stufen hinunter führte, bis er seinen Freund hinter der Kurve auf dem Boden sitzend in einer geräumigen Höhle wiederfand. Der struppige Coloren-Kopf war hochrot angelaufen, mit den Händen hielt sich Loo den kugeligen Bauch und kicherte dümmlich vor sich hin.
Timothy, dem Loos Faulheit schon in der Bibliothek und auch bei dem Geröllhaufen gehörig gegen den Strich gegangen war, sah wütend auf ihn hinab, stemmte die Arme in die Seiten und fuhr ihn gereizt an. »Gibt es hier vielleicht irgendetwas Lustiges, das ich verpasst habe?«
»Hihi krrrch – Hi Huhaaa! – Die – Hühühi! Schub- Ha hihihi – lade!«, gackerte Loo wie von Sinnen, wedelte mit seiner Hand in die Richtung der gegenüberliegenden Wand und brach erneut in Gelächter aus.
»Super, Loo! Wir werden angegriffen, belauscht, verfolgt und müssen uns ganz nebenher auch noch die geistigen Ergüsse von Generationen deiner Vorfahren anhören, und du amüsierst dich!«, platzte Timothy heraus und stapfte wütend zu der offen stehenden Röhre. »Was? Die ist leer! Was soll das?«, rief er aufgebracht und versetzte ihr einen tüchtigen Stoß.
Abrupt brach Loos Lachen ab, stattdessen hielt er sich nur noch prustend die Seite und sah Timothy nicht minder verärgert an. »Kannst du mir mal verraten, warum du erst jetzt kommst? Ich sitz hier schon seit gefühlten fünf Horas!«
Jetzt war Timothy wirklich sauer. »Aber anscheinend hast du dich dabei prächtig amüsiert!«
»Amüsiert?« Loo schnappte nach Luft. »Das war ein Fluch, verdammt! Ein Fluch! Verstehst du? Ich bin auf einen verflixten Lachfluch oder so was gestoßen!«
Timothy sah seinen Freund zerknirscht an. »Wirklich? Bist du dir sicher? Ein Fluch? Ist denn alles okay?«
»Ja mir geht's gut. Die Schublade ist jetzt ja zu«, grummelte Loo.
Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen ließ sich Timothy neben Loo sinken und spielte verlegen mit dem kleinen Skarabäus, den er von Avy geschenkt bekommen hatte. »Wieso hast du sie nicht einfach zugemacht?«
»Ein Fluch Timothy! Es war ein Fluch! Immer wenn ich ihr näher kam, hat's mich auf den Boden geschmissen und ich musste noch mehr lachen.«
»Das muss ja eine ziemlich humorvolle Hexe gewesen sein, schon irgendwie
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