Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
einen gefütterten Umhang herauszog. »Ich werde uns einen heißen Holunder-Honigtee zubereiten, während du dich umziehst«, sagte er lächelnd und verschwand durch eine Steinmauer in einen Nebenraum. Genau wie das Decertum verfügte auch seine Behausung über keine sonstige Türen.
Timothy streifte die triefende Kleidung ab, zog das Buch daraus hervor und legte es vor den wärmenden Kamin. Prompt hörte der Deckel auf zu klappern und aus den Seiten erklang ein wohliges »Hmmm…«.
Timothy griff nach dem wärmenden Umhang, fühlte sich sofort geborgen und spürte, wie die gemütliche Umgebung ihn zu gefährlicher Müdigkeit verleitete.
In einem rund gemauerten Kamin prasselte das Feuer, in jeder Ecke stapelten sich Bücher, der Boden war wie ein Flickwerk mit unterschiedlichsten Teppichen ausgelegt, und über einer knorrigen Wurzel, die ihren Weg ins Innere gefunden hatte, hingen in einer weit verzweigten Ahnentafel jede Menge Bilderrahmen, die gar nicht zueinander passen wollten.
Mit wohligem Gefühl wickelte Timothy sich vor dem Kaminfeuer in die Decke. Augenblicklich wieselte ein kleiner Gelbglunz herbei, raffte wortlos seine nasse Kleidung zusammen und tapste wieder davon.
»Vielen Dank«, murmelte Timothy und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Nur der Gedanke an seine Freunde, die sich immer noch in der Grotte befinden mussten, hielt ihn davon ab, auf der Stelle einzuschlafen.
Darius trat, mit einem Tablett in den Händen voran, durch die Steinmauer und stellte eine dampfende Tasse Tee vor Timothy, in die andere rührte er vier Löffel Zucker, ließ sich auf der knorrigen Wurzel unter der Ahnentafel nieder und blickte mit hochgezogener Augenbraue zu dem Buch, dass jetzt leise schnarchte.
» Drusa, die gütige Hexe «, stellte er lächelnd fest und legte seine Hand auf den sich langsam hebenden und sinkenden Einband. »Oh, die Originalausgabe? Ich dachte nicht, dass sie noch existiert«, sagte er erstaunt und schloss die Augen. »Es ist gut, dass du es noch nicht geöffnet hast, Timothy. Hexenbücher sind sehr empfindlich. Wir sollten warten, bis es erwacht ist, bevor wir es aufschlagen, sonst ist es gut möglich, dass es überhaupt nicht mit uns spricht«, erklärte Darius, was mit einem leisen »Hatschi«, von dem Buch quittiert wurde.
»Es scheint sich verkühlt zu haben«, murmelte der Älteste und schob das Buch noch etwas näher an den Kamin. »Aber weshalb ist es so nass?«
»Es war – Wir waren – also das Eis –«, stotterte Timothy und wusste nicht, wie er die Ereignisse der vergangenen drei Tage zusammenfassen sollte.
»Langsam, langsam, junger Mensch. Deine Gedanken überschlagen sich ja!«, rief Darius auch sogleich und lachte. »Ich kann kaum noch folgen … Was genau hat Hartlef, der Wächter der Bücher, mit der Drudel zu tun, und – Nein! Du warst in der Grotte des Grauens?«, rief er erschrocken aus.
Timothy zuckte mit den Schultern. »Nachdem wir das Decertum verlassen hatten, sind wir, also Avy, Loo und ich, auf der Plaza gewesen …«
Er begann, ihre Erlebnisse einfach von Beginn an zu schildern. Ihre sinnlose Suche nach dem richtigen Sessel ließ er dabei beschämt aus und berichtete Darius gleich von dem Märchenerzähler, aus dessen Mund er das erste Mal die Worte In Libro Veritas vernommen hatte.
Der Älteste hörte aufmerksam zu, ohne eine Miene zu verziehen. Als Timothy allerdings von ihrer Begegnung mit dem sterbenden Tarp in der Bibliothek erzählte, hob er erstaunt die Brauen, und als er von Hartlefs Erinnerungen im Schrein der Gedanken erfuhr, schloss er sogar erneut seine Augen, um Timothys aufgeregte Erzählung mit Bildern aus dessen Erinnerung zu ergänzen.
»Und du bist der Meinung, dass es dieses Buch war, das Hartlef zu seiner Suche nach der Drudel veranlasst hat?« Darius deutete auf den leise schnarchenden Band vor dem Kaminfeuer.
»Ja, absolut!«, antwortete Timothy. »Loo hat es genau dort gefunden, wo Hartlef es versteckt hat, doch dann kam der Rabe und riss es ihm aus den Händen. Ich vermute, er hat es Zyracc gebracht, der es –«
Darius hob die Hand und schnitt Timothy das Wort ab.
»Zyracc, ein Rabe …«, wiederholte der Älteste mit geschlossenen Augen und Timothy war sich sicher, dass der alte Dan wieder einen Gedanken folgte.
Er ließ die Geschehnisse der letzten Stunden, so gut es ihm möglich war, Revue passieren, aber als er an den Homordenführer dachte, der auf seinem Thron scheinbar aus dem Nichts Gestalt angenommen hatte,
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