Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
wieder in den Wirtschaften zu vertrinken. Insbesondere die Vinen waren bekannt dafür.
Crucios jedoch waren anders. Sie gehörten zu der geistigen Elite der Lemuren – genauso wie die Dan und die Niptraden. Wenn ein Crucio Interesse an Hexenbüchern zeigte, dann sicher nicht, um sich an ihnen zu ergötzen. In den vierhundertdreiundsechzig Jahren, in denen Ladomir seinen Handel betrieb, hatte noch nie ein Crucio nach einem Hexenbuch verlangt.
Der Händler konnte sich einfach keinen Reim darauf machen, wurde jedoch das Gefühl nicht los, dass die Pergament-Botschaft vom Morgen im unmittelbaren Zusammenhang mit seinem letzten Kunden stand. Doch so sehr er sich auch bemühte, wollte ihm keine sinnvolle Erklärung für die Geschehnisse des Tages einfallen. Letztendlich beschloss er, seinen Handelsfreund Linus aufzusuchen und notfalls für Informationen zu zahlen, sofern es ihn weiterbrachte.
Das erste Mal seit über drei Dekaden sperrte Ladomir seinen Handel vorzeitig zu.
Doch als er kurze Zeit später bei dem Haus seines Freundes ankam, wurde er enttäuscht. Linus schien nicht da zu sein. Stattdessen hing der altersschwache Geier kopfüber in seiner Nische. Der lange Hals baumelte schlaff die Fassade hinunter, die Augen fest geschlossen.
»Dieses Tier kann auch nichts als schlafen«, fluchte Ladomir und pustete dem Wächter kräftig ins Gesicht.
Der Geier rührte sich nicht. Mit spitzen Fingern hob der Händler den langen Vogelhals an und ließ ihn wieder fallen. Der Wächter zeigte keine Regung.
»War ja klar. Nur ne Frage der Zeit«, murmelte Ladomir grimmig.
· ~ ·
Der Tunnel führte sie direkt auf die Via Aurea, es waren nur wenige Meter bis zu Loos Elternhaus. In diesem Teil der Straße waren mehrere Coloren nebeneinander angesiedelt, und die bunten Fassaden der Häuser ergaben ein hübsches Bild. Sie waren allesamt zweistöckig, wobei die obere Etage ein gutes Stück der Unteren überstand. Einigen von ihnen hatte man unnötigerweise ein Dach verpasst, das direkt unter der bemalten Tunneldecke klemmte.
Timothy hätte das farbenprächtige Bild gern noch weiter betrachtet, aber sie hatten bereits Loos Elternhaus erreicht.
»Da wären wir!«, rief Loo aufgeregt. »Das ist meine kleine Schwester Lilli und unser fetter Wächter Skibbo.«
Ein drolliges Mädchen mit wilden, rotbraunen Haaren stand neben einer Art Vogelhaus, in dem augenscheinlich das Eichhörnchen wohnte, von dem Loo gesprochen hatte. Timothy schätzte Loos Schwester auf nicht älter als zehn Jahre.
»Komm, Skibbo, sag Hallo zu unserem Besuch«, sagte das Mädchen schüchtern.
Das Eichhörnchen wieselte augenblicklich aus seinem Häuschen hervor und sprang mit einem Satz auf Lillis Schulter.
»Hallo, ihr beiden. Ich bin Timothy – von den Liberen«, stellte er sich lachend vor. Loo hatte nicht übertrieben. Das Tier war wirklich kugelrund.
»Wer's glaubt«, lispelte das Hörnchen. »Wohl eher Timothy von den Menschen.« Es sprang behände von Lillis Schultern über sein Häuschen hinweg in ein offen stehendes Fenster. »Herrin! Der Menschenjunge ist da!«, rief es eifrig.
»Mach dir keinen Kopf«, sagte Loo leise. »Meine Familie kennt deine Herkunft – übrigens als Einzige neben dem Ältestenrat. Komm, lass uns reingehen. Der Wächter von nebenan wird schon hellhörig.«
Timothy folgte Loos Blick zum Nebenhaus, wo ein plattschnäuziger Mops nervös auf seinem Po herumrutschte und aus seinen Glubschaugen scheinbar durch sie hindurchsah.
Gerade als Lilli die Klinke drücken wollte, wurde die Tür von innen aufgerissen. Loos Mutter stand freudestrahlend im Rahmen und breitete die Arme aus.
»Timothy, da bist du ja! Ich war ja so gespannt auf dich! Komm rein, du musst ja müder sein als jeder Tarp! Du schläfst doch, oder?«, fragte sie, und ihr Gesicht glühte vor Aufregung. »Hast du Hunger? Ich habe etwas vorbereitet! Den ganzen Vormittag war ich auf dem Plunderplatz, aber Tomaten konnte ich leider nirgendwo bekommen. Nimm es mir nicht übel, ja? – Loo – Lilli! Was steht ihr hier noch rum? Unser Gast ist da!«
Höflichkeitshalber, und weil, wie Lavina erklärte, Lilli noch nicht besonders gut permatieren konnte, benutzten alle die Tür, um in das Haus zu gelangen.
Verdutzt folgte Timothy Loos Familie. Er hatte sich Loos Zuhause nie vorgestellt, aber wenn er es versucht hätte, wäre ihm dieses Bild als ausgesprochen passend erschienen.
Im Wohnzimmer lagen gut zwei Dutzend Kissen und Sitzsäcke in allen Farben bunt
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