Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
Kurve bogen, fiel sein Blick allerdings auf einen Troll, der an einen der Pfeiler gelehnt auf der Erde kauerte und seine Ware feilbot. Seit einiger Zeit durften die Dämonen die öffentlichen Gänge betreten, aber den Pentraden war es gänzlich verboten. Sie waren zum Glück auf die Grotte des Grauens und die dahinterliegenden Sümpfe beschränkt, auch wenn sie sich nicht immer daran hielten. Umso erleichterter war Loo, dass es nur ein dämonischer Troll war, der sich hier niedergelassen hatte. Er hatte gehofft, sein Elternhaus zu erreichen, ohne weitere Fragen beantworten zu müssen, und war froh, dass Timothy seine erste Begegnung mit einem Troll gelassener nahm, als Loo vermutet hätte. Er sah das zerknitterte Wesen mit seinen abstehenden Ohren und dem kahlem Schädel nur neugierig an, ohne sonderlich verwundert zu wirken.
»Trolle«, erklärte Loo ihm trotzdem flüsternd.
»Wer, die Stöcke oder der Verkäufer?«, raunte sein Freund zurück.
»Der Verkäufer«, antwortete Loo und begutachtete die Ware. In einem aus Weiden geflochtenen Ständer tummelten sich zehn oder mehr knorrige Stöcke, an deren Kopf statt eines Knaufs jeweils ein wurzelartiges Gesicht saß. Die Stöcke redeten wild durcheinander und kamen sich dabei ständig mit ihren langen Wurzelnasen in die Quere. Auf ihren Köpfen saßen spitze Blätter, die wie Ohren wirkten.
»Das trifft sich gut«, meinte Loo. »Wir nehmen einen Druidenstab. Aber einen, der sich wirklich auskennt. Keinen unerfahrenen, bitte.«
Der Troll beugte sich schwerfällig vor, um ein besonders hässliches Wurzelgesicht aus dem Korb zu ziehen.
Dieser beschwerte sich auch gleich. »Ich war gerade mitten in einer Unterhaltung, es wird doch wohl noch Zeit für ein paar verabschiedende Worte sein!«, schimpfte er mit angelegten Ohren.
Der Troll beachtete seine zeternde Ware nicht weiter, sondern schlug sie ohne viel Federlesen in Papier ein. »Zehn Lex zu drei Ringen«, forderte er unwirsch.
»Was? Das ist zu viel! Der normale Preis liegt bei …«
Timothy verdrehte die Augen. »Nun zahl ihm doch den Preis. Du hast bestimmt einen sehr unterhaltsamen Stock dafür bekommen.«
»Er soll nicht reden, er soll den Weg kennen.« Loo funkelte den Verkäufer unfreundlich an.
Der entblößte seine lückenhaften Zähne und drückte Timothy den Druidenstab in die Hand. »Ein guter Preis, bestimmt nicht zu viel. Jeder Stock ist eine Sonderanfertigung. Der hier ist aus der Wurzel des Holunderbaums. Es heißt, er hätte magische Fähigkeiten. Manche behaupten sogar, der Holunder sei in Wirklichkeit eine Hexe in Baumform. Wer weiß, was er alles kann.« Der Verkäufer schüttete sich aus vor Lachen, als er Loos ängstlichen Gesichtsausdruck sah.
Hexen waren schon vor vielen Dekaden ausgestorben oder zumindest in der Unterwelt nicht mehr gesichtet worden. Doch im Allgemeinen fürchtete man sich vor ihnen. Nicht nur, dass sie als schwarzmagisch und hinterhältig galten, die Lemuren hatten in ihnen ihren Meister gefunden. Eine Hexe war jedem Lemur bei Weitem überlegen. Als sie noch gemeinsam auf der Oberfläche gelebt hatten, waren sie sich spinnefeind gewesen. Trotzdem sympathisierte der eine oder andere mit ihnen, denn wenn es eines gab, was die Hexen noch weniger mochten als Lemuren, dann waren es die Menschen, obgleich oder gerade weil man sie oft als menschliche Hexen bezeichnete, da sie diesen recht ähnlich sahen.
· ~ ·
Ladomir war den ganzen Vormittag über nervös und fahrig. Die unheilvolle Pergament-Botschaft ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Jedes Mal wenn ein Kunde seinen Laden betrat, zuckte er zusammen und erwartete das Schlimmste.
Die Gemütslage im gesamten Lemurischen Reich war merklich angespannt, und auch wenn der Rat bisher als stabil galt, war bereits der eine oder andere Lemur von den Homorden gelyncht worden, weil er sich zu offensichtlich für Menschliches interessiert hatte. Ladomir wollte auf keinen Fall mit so etwas in Verbindung gebracht werden, und bis vorhin war er sich auch sicher gewesen, dass niemand, außer dem Rat und seiner Familie, von Timothys Anwesenheit wusste. So war es ihm zumindest versichert worden.
Zunächst jedoch gab niemand dem Händler Anlass, misstrauisch zu sein. Die meisten seiner Kunden wollten dieser Tage nur Kämme, Wachse, Perlen oder Bänder erwerben, um ihre Bärte in nie zuvor gesehene Kunstwerke zu verwandeln. Der Verrückte-Bart-Tag stand kurz bevor, was zumindest den männlichen Teil der Provinz in helle Aufregung
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