Im Bann der Dunkelheit
Gewicht der bleiernen Dämmerung hatte allen Wind aus dem Tag gedrückt. Die Eichen waren so monolithisch wie Skulpturen, jedes einzelne Blatt schien aus Bronze gegossen zu sein.
Eine Minute später hatte die tiefe Stille der Bäume mich beruhigt, und ich ging über den Rasen zum Haus.
Dieses Gebäude der Craftsman-Periode besteht aus großen Steinplatten mit einem Minimum an Mörtel und aus vom Wetter silbern gefärbten Zedernverkleidungen unter einem Schieferdach, besitzt ein tiefes Dachgesims und eine großzügige Veranda, alles modern gehalten, aber doch natürlich und erdverbunden. Es ist das einzige Heim, das ich jemals gekannt habe, und wenn man sowohl die natürliche Lebenserwartung eines XPers als auch mein Talent bedenkt, meinen Hintern in Gefahr zu bringen, habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, daß ich hier bis zu meinem Tod wohnen werde.
Als ich an der Haustür angelangte, hatte Sasha sie schon aufgeschlossen, und ich folgte ihr in den Flur.
Alle Fenster waren tagsüber mit Jalousien verhangen. Die meisten Lichtschalter waren mit Dimmern versehen, und wenn wir das Licht einschalteten, dann nur gedämpft. Größtenteils lebte ich hier in Kerzenlicht, das durch bernstein- oder rosenfarbenes Glas gefiltert wurde, in einem weich umrissenen Schattenambiente, das die Zustimmung jeder Wahrsagerin gefunden hätte, die von sich behauptet, die Geister von Toten herbeirufen zu können.
Sasha war vergangenen Monat nach Dads Tod eingezogen und hatte das Haus aufgegeben, das KBAY ihr als Sondervergünstigung wegen ihrer Funktion als Geschäftsleiterin des Senders zur Verfügung gestellt hatte. Tagsüber bewegt sie sich von Raum zu Raum, indem sie sich lediglich von dem schwachen Sonnenschein leiten läßt, der gegen die geschlossenen Jalousien drückt.
Sie glaubt, daß meine verhüllte Welt die Seele beruhigt, daß das Leben in der schwachen Beleuchtung von .Snowland. wohltuend, ja sogar romantisch ist. Bis zu einem gewissen Grad stimme ich mit ihr überein, wenngleich mich manchmal eine leichte Klaustrophobie überkommt und die ständig gegenwärtigen Schatten mir wie eine frostige Vorschau auf das Grab erscheinen.
Ohne einen Lichtschalter zu betätigen, gingen wir nach oben ins Badezimmer und duschten gemeinsam im flackernden Schein einer dekorativen Öllampe. Dieses Erlebnis zu zweit machte nicht so viel Spaß wie sonst, nicht einmal so viel Spaß wie ein Tandemritt auf einem Surfbrett, weil wir körperlich müde und gefühlsmäßig erschöpft waren und uns Sorgen um Orson und Jimmy machten. Wir duschten lediglich kurz, während ich Sasha in beträchtlich gedrängter Form schilderte, wie ich den Kidnapper verfolgt und Bighead gesichtet hatte, wie wir Delacroix gefunden, und sogar, was wir im Ovalen Raum erlebt hatten. Ich rief Roosevelt Frost an, der an Bord der Nostromo wohnt, eines Bluewater-Küstenkreuzers von siebzehn Metern, der im Jachthafen von Moonlight Bay vor Anker liegt. Nur der Anrufbeantworter meldete sich, also hinterließ ich die Nachricht, Roosevelt möge so bald nach zwölf Uhr, wie es sich einrichten ließ, bei mir vorbeikommen und, wenn irgend möglich, auch Rumpeknauser mitbringen.
Ich rief auch Manuel Ramirez an. Die Telefonistin in der Funkzentrale sagte mir, er sei gerade nicht im Büro, und auf meine Bitte schaltete sie mich auf seinen Anrufbeantworter um. Nachdem ich das Nummernschild des Suburban angegeben hatte, das ich mir eingeprägt hatte, sagte ich: »Das ist der Wagen, den Jimmy Wings Kidnapper fährt. Wenn dir was daran liegt, ruf mich bitte nach zwölf Uhr an.«
Sasha und ich waren gerade im Schlafzimmer und schlugen die Bettdecke zurück, als es an der Haustür klingelte. Sasha zog sich einen Bademantel an und ging runter, um nachzusehen, wer es war.
Ich schlüpfte ebenfalls in einen Bademantel und tapste barfuß zum oberen Treppenabsatz, um zu lauschen.
Ich nahm die 9mm-Glock mit. In Moonlight Bay herrschte zwar noch nicht so ein Chaos wie im Jurassic Park, aber es hätte mich nicht übermäßig überrascht, wenn ein Velociraptor vor der Tür gestanden hätte.
Es war aber nur Bobby, der sechs Stunden zu früh kam. Als ich seine Stimme hörte, ging ich runter.
Der Flur war nur schwach erhellt, der Druck von Maxwell Parrishs Daybreak, der über dem Stickley-Tisch hing, leuchtete, als wäre er ein Fenster zu einer magischen und besseren Welt.
Bobby schaute grimmig drein. »Ich mach.s kurz. Aber das solltet ihr wissen. Nachdem ich Jenna Wing zu Lilly gebracht
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