Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
dem Sasha ein mehr als gesundes Maß an Selbstzweifel an den Tag legt. Ihre Kochkünste, ihre literarische Meinung, ihre Liebeskünste und all die anderen Dinge, die sie so wunderbar machen, zeichnen sich durch ein natürliches Selbstvertrauen und höchstens ein zweckmäßiges Ausmaß an Unsicherheit aus. In ihrer Beziehung zur Musik ist sie jedoch manchmal wie ein verlorenes Kind; wenn sie dieser Schwäche zum Opfer fällt, möchte ich mehr als sonst den Arm um sie legen und sie trösten. Andererseits sind das die Momente, in denen sie wahrscheinlich jeden Trost zurückweisen würde. Sie würde mir statt dessen mit ihrer Flöte, dem Notenlineal oder einer anderen Waffe, die im Musikzimmer zur Hand ist, auf die Finger schlagen. Ich gehe davon aus, daß jede Beziehung sich durch ein gewisses Maß an neurotischem Verhalten bereichern läßt. Zu dem Gericht, das wir gemeinsam anrühren, steuere ich zweifellos mein Quentchen bei.
    Ich schob die Kassette in das Gerät, die Kassette, die ich in der Totenstadt neben Leland Delacroix. scheußlich riechender Leiche in der Bungalowküche gefunden hatte.
    Ich rückte den Stuhl vom Komponiertisch fort, setzte mich und benutzte die Fernbedienung, um den Kassettenrecorder zu starten.
    Eine halbe Minute lang hörten wir nur das Rauschen des unbespielten Magnetbands, das am Abspielkopf vorbeizog. Ein leises Klicken und eine hohler klingende Veränderung des Rauschens zeigten den Beginn der Aufzeichnung an, die zunächst darin bestand, daß jemand - ich vermutete, daß es sich um Delacroix handelte - tief und gleichmäßig atmete, als würde er sich gerade einer Meditation oder Aromatherapie unterziehen.
    »Ich hatte auf Informationen statt Inhalationen gehofft«, sagte Bobby.
    Das Geräusch war gänzlich profan, ohne das geringste Anzeichen von Angst oder Drohung oder irgendeiner anderen Emotion. Dennoch sträubten sich mir die Nackenhaare, als käme dieses Atmen in Wirklichkeit von einer Person, die unmittelbar hinter mir stand.
    »Er versucht sich zu fassen, zu sammeln«, sagte ich. »Dazu atmet er tief und gleichmäßig.«
    Kurz darauf erwies sich meine Interpretation offenbar als richtig, denn nun wurde der Atem plötzlich unruhiger und schließlich sogar richtig hektisch. Delacroix brach zusammen und weinte. Er bemühte sich um Gefaßtheit, erstickte aber an seinem Schmerz und gab seiner Verzweiflung mit bebenden Schluchzern und wortlosen Schreien Ausdruck.
    Obwohl ich diesen Mann nicht gekannt habe, war es bestürzend, seine schweren Qualen mit anzuhören. Glücklicherweise dauerte es nicht allzu lang, denn bald schaltete er den Recorder wieder aus.
    Mit einem leisen Klicken setzte die Aufzeichnung wieder ein, und obwohl Delacroix nur mit Mühe die Selbstbeherrschung wahrte, gelang es ihm zu sprechen. In seiner Stimme lag so viel Emotion, daß er gelegentlich schleppend sprach, und wenn er in Gefahr geriet, völlig zusammenzubrechen, hielt er inne, entweder um tief durchzuatmen oder etwas zu trinken, ich nehme mal an, Whiskey.
    »Das ist eine Warnung. Ein Testament. Mein Testament. Eine Warnung an die Welt. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht mit dem Schlimmsten. Sie sind tot, und ich habe sie ermordet. Aber es war die einzige Möglichkeit, um sie zu retten. Die einzige Möglichkeit, sie zu retten. Du mußt verstehen... ich habe sie getötet, weil ich sie liebte. Gott steh mir bei. Ich konnte nicht zulassen, daß sie litten und mißbraucht wurden. Mißbraucht. Gott, das konnte ich doch nicht zulassen! Es gab keine andere Möglichkeit für mich...«
    Ich erinnerte mich an die Schnappschüsse, die neben Delacroix. Leiche arrangiert worden waren. Das zarte kleine Mädchen mit der Zahnlücke. Der Junge im blauen Anzug mit der roten Fliege. Die hübsche blonde Frau mit dem reizenden Lächeln. Wahrscheinlich waren das die Menschen, die zu ihrer Rettung getötet worden waren.
    »Wir alle haben diese Symptome entwickelt, heute nachmittag, Sonntag nachmittag, und wir wollten morgen zum Arzt gehen, aber wir hätten es nicht mehr geschafft. Leichtes Fieber. Ein Gefühl der Kälte. Und von Zeit zu Zeit dieses... Flattern... dieses seltsame Flattern in der Brust... oder manchmal im Bauch, im Unterleib, doch beim nächsten Mal im Genick, in der Nähe der Wirbelsäule... dieses Flattern wie von einem zuckenden Nerv oder vielleicht wie Herzrasen oder... Nein, es ist ganz anders. Gott, ich kann es einfach nicht erklären... nicht sehr schlimm... nur leicht... ein leichtes

Weitere Kostenlose Bücher