Im Bann der Dunkelheit
der so heftig war, daß er nicht allein durch Bobbys Sticheleien entfacht worden sein konnte.
Dieser Haß richtete sich auch gegen mich, aber Manuel brachte es nicht fertig, mich zu schlagen, nicht nach so vielen Jahren der Freundschaft. Deshalb wollte er Bobby weh tun, weil er damit auch mir weh tun würde. Vielleicht galt ein Teil des Zorns auch sich selbst, weil er seine Prinzipien in den Wind geschlagen hatte. Vielleicht sahen wir auch die Wut, die sich in sechzehn Jahren aufgestaut hatte, den Zorn auf Gott, weil Carmelita im Kindbett gestorben und Toby mit dem Down-Syndrom auf die Welt gekommen war; und ich glaubte er wußte, daß ein Teil davon der Zorn war, den er sich niemals eingestehen wollte und durfte, der Zorn auf Toby, den er verzweifelt liebte, der aber sein Leben so einschneidend eingeschränkt hatte. Schließlich gibt es einen Grund, warum man immer sagt, daß die Liebe ein zweischneidiges Schwert ist und nicht ein zweischneidiger Tennisschläger oder ein zweischneidiger Schaumlöffel. Denn die Liebe ist scharf und sticht wie eine Nadel, mit der wir die Risse in unseren Herzen vernähen und unsere Seelen flicken können, aber sie kann auch schneiden, tiefe Wunden reißen und töten.
Manuel kämpfte darum, die Selbstbeherrschung zu wahren, während ihm bewußt war, daß wir alle ihn beobachteten und er eine ergreifende Vorstellung ablieferte, aber er schien diesen Kampf zu verlieren. Der Kühlschrank war eingedellt, wo er ihn mit dem Knüppel getroffen hatte, aber ein Angriff auf einen Einrichtungsgegenstand, sei er auch noch so groß, verschaffte ihm nicht die Genugtuung, die er brauchte, erleichterte nicht den Druck, der sich auch weiterhin in ihm aufbaute. Vor wenigen Minuten hatte ich Bobby mit einer Bombe kurz vor der Detonation verglichen, doch nun war es Manuel, der explodierte. Seine Gewalt richtete sich nicht gegen Bobby oder mich, sondern gegen die Glasscheiben in den vier Türen einer Vitrine, er zertrümmerte mit dem Schlagstock jede einzelne Scheibe, dann riß er eine der Türen auf und fegte mit dem Knüppel alles hinaus, das Royal-Worcester-Porzellan, das Evesham-Set, das meine Mutter so geliebt hatte. Tassen, Untertassen, Brot- und Salatteller, eine Sauciere, eine Butterdose, ein Zucker-und-Milch-Set krachten auf die Anrichte und von dort weiter zum Boden. Porzellansplitter prallten klingend von der Geschirrspülmaschine und singend von Stuhlbeinen und Schränken ab. Unmittelbar neben der Vitrine stand die Mikrowelle, die er nun mit dem Gummiknüppel traktierte, er schlug einmal, zweimal, dreimal, viermal zu.
Das Sichtfenster bestand anscheinend aus Plexiglas oder etwas Ähnlichem, da es nicht zersprang. Allerdings wurde mit einem Knüppelschlag die Zeitprogrammierung des Geräts eingeschaltet. Hätten wir in weiser Voraussicht eine Tüte Maiskörner in die Mikrowelle gelegt, hätten wir nach Manuels Wutausbruch fertiges Popcorn gehabt. Er nahm einen stählernen Wasserkessel vom Herd und warf ihn quer durch den Raum, dann packte er den Toaster und schmetterte ihn zu Boden, während der Kessel noch - tonk, tonk, tonk - mit der manischen Energie einer ramponierten Videospielfigur herumhüpfte. Manuel versetzte dem Toaster einen Fußtritt, worauf dieser wie ein verängstigter kleiner Hund, der seinen Kabelschwanz hinter sich herzog, kreischend über den Fußboden schlitterte. Dann war Manuel fertig.
Er stand mit hängenden Schultern, vorgerecktem Kopf und schweren Augenlidern mitten in der Küche, als wäre er soeben aus tiefstem Schlaf erwacht. Der Mund war eingefallen und bebte beim Schnaufen. Manuel blickte sich um, als wäre er leicht verwirrt, als wäre er ein Stier, der sich fragte, wohin das ärgerliche rote Tuch so plötzlich verschwunden war.
Ich hatte erwartet, das dämonische gelbe Leuchten in Manuels Augen schimmern zu sehen, während er seine Zerstörungswut auslebte, aber ich hatte nichts dergleichen entdeckt. Nun war in seinem Blick ein schmorender Zorn zu erkennen, aber auch Verwirrung und eine sich windende Trauer. Falls er allmählich seine Menschlichkeit verlor, dann bislang noch nicht so weit, daß jetzt das animalische Augenleuchten zutage trat.
Der namenlose Deputy beobachtete die Geschehnisse mit einem argwöhnischen Blick, mit Augen, die so finster wie die Fenster in einem verlassenen Haus waren. Frank Feeneys Augen dagegen strahlten heller als die eines Halloween-Kürbisses und funkelten vor wilder Bedrohung. Obwohl dieses unheimliche Schimmern nicht
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