Im Bann der Dunkelheit
beständig war - es kam und ging fortwährend ., war die Wildheit, die darin brannte, so gleichmäßig wie ein Lagerfeuer. Feeney stand im Gegenlicht vor dem Kronleuchter im Eßzimmer. Während das Gesicht also beschattet war, glühten die Augen gelegentlich auf, als würde das Licht aus dem benachbarten Zimmer geradewegs durch den Kopf dringen und durch die Augenhöhlen wieder austreten. Ich hatte zunächst befürchtet, daß Manuels Gewaltausbruch ähnlich heftige Reaktionen bei den Deputies auslösen würde.
Daß alle drei Männer zu denen gehörten, die im Werden waren und von einer grassierenden Demenz heimgesucht wurden.
Daß Bobby und ich vom Bio-High-Tech-Äquivalent eines Rudels Werwölfe im Banne der Blutrünstigkeit umzingelt wären.
Da wir es dummerweise versäumt hatten, uns Knoblauchzehen oder silberne Kugeln zu besorgen, wären wir gezwungen gewesen, uns mit dem angelaufenen Silberbesteck meiner Mutter zu verteidigen, das aber zunächst aus einer Kiste in der Speisekammer hätte ausgepackt werden müssen - sofern es nicht obendrein mit Silberpolitur und einem weichen Tuch geputzt werden mußte, damit es hinreichend wirksam war.
Jetzt schien es, als ob die einzige Gefahr von Feeney ausging. Ein Werwolf, der einen geladenen Revolver in der Hand hielt, stellte aber vielleicht eine lykanthropische Bedrohung gänzlich anderen Kalibers dar. Einer von dieser Sorte konnte sich als genauso tödlich erweisen wie ein komplettes Rudel.
Feeney zitterte und glänzte vor Schweiß. Er atmete keuchend ein und mit einem gepreßten Winseln wieder aus. In seiner Erregung hatte er sich auf die Lippe gebissen, und die Zähne und das Kinn waren blutverschmiert. Er hielt die Waffe mit beiden Händen und hatte sie auf den Boden gerichtet, während seine wahnsinnigen Augen nach einem Ziel zu suchen schienen. Seine Aufmerksamkeit wanderte hektisch von Manuel zu mir, vom zweiten Deputy zu Bobby und dann wieder zu mir und Manuel. Falls Feeney uns alle als Ziele einstufte, würde es vielleicht dazu kommen, daß er uns alle vier tötete, während er gleichzeitig im Gegenfeuer seiner Kollegen zu Boden gerissen wurde.
Ich nahm auf einmal wahr, daß Manuel mit Feeney und dem anderen Deputy sprach. Vor lauter Herzklopfen war ich vorübergehend ganz taub gewesen. Seine Stimme blendete sich langsam in meine Wahrnehmung ein: »... hier gibt es nichts mehr für uns zu tun, es ist vorbei, wir sind mit den Mistkerlen fertig, auf geht.s, Frank, Harry, das war.s, auf geht.s, wir vergeuden mit dem Abschaum nur unsere Zeit, gehen wir, zurück an die Arbeit, raus hier, na los.«
Manuels Stimme schien Feeney zu beruhigen wie die rhythmischen Verse eines Gebets, wie eine Litanei, in der Feeney die Antworten nicht sprach, sondern nur stumm rezitierte.
Das böse Feuer flackerte immer wieder in seinen Augen auf, obwohl schwächer und weniger häufig als zuvor. Er lockerte den beidhändigen Griff um den Revolver, hielt ihn schließlich nur noch in der rechten Hand und steckte ihn dann ein. Er schaute verwundert drein, als er das Blut auf den Lippen schmeckte, tastete danach und starrte dann verständnislos auf die rotgefleckten Fingerspitzen.
Harry, der zweite Deputy, dem Manuel zu guter Letzt einen Namen gegeben hatte, war bereits in der Diele, als Frank Feeney die Küche verließ und hinaustrat. Manuel folgte Feeney, und ich folgte unwillkürlich Manuel, wenn auch in gewissem Abstand.
Sie hatten ihre Gestapo-Aura verloren. Sie wirkten jetzt so erschöpft und müde wie drei kleine Jungen, die mit großem Überschwang Polizisten gespielt und sich dabei völlig verausgabt hatten, die sich nun nach Hause schleppten, um nach dem Kakao einen Mittagsschlaf zu halten, bevor sie anschließend vielleicht neue Kostüme anlegten und Piraten spielten.
Sie wirkten genauso verloren wie die entführten Kinder. Als Frank Feeney hinter Harry X auf die Veranda trat, sagte ich in der Diele zu Manuel: »Du siehst es doch auch, oder?«
An der Tür angekommen, blieb er stehen und drehte sich zu mir um, gab mir aber keine Antwort. Er war noch immer sichtlich aufgebracht, gleichzeitig machte er aber auch einen leidenden Eindruck. Von Sekunde zu Sekunde glätteten sich die Wellen seines Zorns, und die Augen wurden zu Teichen voller Betrübnis.
Da von draußen, aus dem Arbeitszimmer und aus dem Wohnzimmer Licht in den Flur fiel, fühlte ich mich hier verletzlicher als angesichts der gezogenen Waffe und Feeneys gelben Blicks vorhin in der Küche. Es gab da aber noch
Weitere Kostenlose Bücher