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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Schmalspurschnitter irgendwie zu passen schien. Selbst hier, im Licht aus dem Zeichentrickafrika, wirkte Father Toms Gesicht so blaß und rund wie die eucharistische Hostie, die dem Kommunikanten auf die Zunge gelegt wird.
    »Ich konnte sie nicht überzeugen, ihr Schicksal in Gottes Hand zu legen«, sagte Father Tom mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen. Er ging mit keinem Wort auf unser plötzliches Erscheinen ein, als hätte er damit gerechnet, daß irgend jemand ihn bei seinem verbotenen Tun erwischen würde.
    »Es ist eine schreckliche Sünde, eine Beleidigung Gottes, sich auf diese Weise vom Leben abzuwenden. Statt weiter in dieser Welt zu leiden, haben sie die ewige Verdammnis gewählt. Ja, ich fürchte, das steht ihnen bevor, und ich konnte nicht mehr für sie tun, als ihnen Trost zu spenden. Sie haben meinen Rat zurückgewiesen, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe. Ich habe alles versucht. Trost. Das war alles, was ich ihnen geben konnte, Trost. Verstehen Sie?«
    »Ja, wir verstehen«, sagte Sasha mitfühlend und gleichzeitig mißtrauisch.
    In normalen Zeiten, bevor das Ende aller Tage begonnen hatte, war Father Tom ein übersprudelnder Mann gewesen, fromm, ohne spießig zu sein, und ernsthaft um andere Menschen besorgt. Mit seinem ausdrucksvollen, gummiartigen Gesicht, den fröhlichen Augen und dem ehrlichen Lächeln hatte er eine natürliche Begabung zum Komödianten, doch in schweren Zeiten war er für andere stets eine verläßliche Quelle der Kraft gewesen. Ich gehörte zwar seiner Kirche nicht an, wußte aber, daß seine Gemeindemitglieder ihn seit langem verehrten.
    In letzter Zeit hatte Father Tom es nicht leicht gehabt, und auch ihm selbst ging es nicht gut. Seine Schwester Laura war eine Kollegin und Freundin meiner Mutter gewesen. Tom vergöttert sie - aber er hat sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen. Es besteht Grund zu der Annahme, daß Lauras Werden bereits weit fortgeschritten ist, sie sich von Grund auf verändert hat und in Wyvern im Loch festgehalten wird und einem intensiven Studium unterzogen wird.
    »Vier von denen hier sind katholisch«, sagte er. »Mitglieder meiner Herde. Ihre Seelen lagen in meinen Händen. In meinen Händen. Die anderen sind Lutheraner, Methodisten. Einer ist jüdisch. Zwei waren Atheisten, bis... vor kurzem. Es lag in meinen Händen, ihre Seelen zu retten. Oder ihre Seelen zu verlieren.« Er sprach hastig und nervös, als wüßte er, daß irgendwo eine Bombe unaufhaltsam der Detonation entgegentickte, als wollte er beichten, bevor er ausgelöscht wurde.
    »Zwei von ihnen, ein in die Irre geführtes junges Ehepaar, hatten zusammenhanglose Fragmente der religiösen Überzeugungen eines halben Dutzends indianischer Stämme aufgeschnappt. Sie haben das alles auf eine Weise verdreht, die den Indianern völlig unverständlich gewesen wäre. Die beiden haben an ein richtiges Durcheinander geglaubt, an ein verworrenes Chaos. Sie haben den Büffel, Flußgeister, Erdgeister und die Maispflanze verehrt. Was habe ich in einem Zeitalter verloren, in dem die Menschen Büffel und Mais anbeten? Hier habe ich nichts mehr verloren. Versteht ihr? Versteht ihr mich?«
    »Ja«, sagte Bobby, der uns in den Raum gefolgt war. »Keine Sorge, Father Eliot, wir verstehen Sie.«
    Der Priester trug einen viel zu großen Gärtnerhandschuh an der linken Hand. Während er weitersprach, fummelte er ständig mit der rechten Hand daran herum, zupfte an der Stulpe und den Fingern, als würde er ihm nicht richtig passen.
    »Ich habe ihnen die Letzte Ölung nicht gegeben, nicht die Sterbesakramente, ich habe ihnen nicht die Sterbesakramente gespendet«, sagte er mit einer Stimme, deren Tonhöhe und Tempo immer hysterischer wurden, »weil sie Selbstmörder waren. Vielleicht hätte ich ihnen aber trotzdem die Letzte Ölung geben sollen, vielleicht hätte ich es tun sollen, Mitgefühl geht über die Doktrin. Aber so war alles, was ich für sie getan habe... das einzige, was ich diesen armen, leidenden Menschen gegeben habe, war ein bißchen Trost, den Trost von Worten, nichts als leeren Worten. Jetzt weiß ich nicht, ob ihre Seelen wegen oder trotz meiner Worte verloren sind.«
    Vor einem Monat - es war in der Nacht, als mein Vater starb - hatte ich eine seltsame und beunruhigende Begegnung mit Father Tom Eliot gehabt. Darüber habe ich schon in einem früheren Band meines Tagebuchs geschrieben. In jener grausamen Nacht hatte er seine Gefühle sogar noch weniger unter Kontrolle

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