Im Bann der Dunkelheit
Behendigkeit wieder auf die Beine.
Nun leierte er nicht mehr sein Glaubensbekenntnis herunter, sondern knurrte wie ein Bär und stieß geifernd seltsame erstickte Laute des Zorns aus. Er griff sich einen Walnußholzstuhl, dessen Sitzkissen und Lehnenpolster mit Narzissen bedruckt waren, und einen Augenblick lang schien es, als wollte er ihn dazu benutzen, um alles in seiner Reichweite zu zertrümmern, doch dann warf er ihn auf Roosevelt.
Roosevelt drehte sich gerade noch rechtzeitig weg, um den Stuhl mit dem Rücken abzufangen, statt ihn ins Gesicht zu bekommen. Aus dem Fernseher drang die klangvolle und gefühlsselige Stimme Elton Johns, der unter voller Orchester- und Chorbegleitung .Can You Feel the Love Tonight?. sang.
Noch während der Stuhl krachend an Roosevelts Rücken zerschellte, schleuderte Father Tom einen Frisierschemel in Sashas Richtung.
Sie konnte sich nicht rechtzeitig ducken. Das Möbelstück traf sie an der Schulter und warf sie über einen Polsterhocker.
Im gleichen Moment deckte der besessene Priester bereits Bobby, Roosevelt und mich mit einem Geschoßhagel aus diversen Gegenständen vom Frisiertisch ein, und obwohl er weiterhin bestialische Laute ausstieß, knurrte er dazwischen auch einige abgehackte, aber verständliche Worte, um seine Attacken hämisch zu kommentieren: eine silberne Haarbürste, ein ovaler Handspiegel mit Rahmen und Griff aus Perlmutt - »im Namen des Vaters« - eine schwere silberne Kleiderbürste - »und des Sohnes« - einige dekorative Emailledosen - »und des Heiligen Geistes!« - eine Porzellanvase. Letztere versetzte Roosevelt einen solchen Schlag ins Gesicht, daß er umfiel, als hätte er nähere Bekanntschaft mit einem echten Vorschlaghammer gemacht. Ein silberner Kamm flog hinterher. Eine Parfümflasche sauste an meinem Kopf vorbei und zerschellte hinter mir an einem massiven Möbelstück, worauf sich das Schlafzimmer mit dem Duft von Rosenöl füllte.
Während dieses Sperrfeuers versuchten Bobby und ich unter mehr oder weniger geschickten Ausweichbewegungen und mit schützend vor dem Gesicht verschränkten Armen näher an Tom Eliot heranzukommen. Ich bin mir nicht sicher, warum. Vielleicht glaubten wir, daß es uns gemeinsam gelingen konnte, ihn in unsere Gewalt zu bringen und den bedauernswerten Teufel so lange festzuhalten, bis sein Anfall vorbei war und er wieder zur Vernunft kam. Falls er überhaupt noch einen Rest von Vernunft besaß. Was von Sekunde zu Sekunde aber immer unwahrscheinlicher schien.
Als der Priester die Munition vom Frisiertisch aufgebraucht hatte, stürmte Bobby los, und ich folgte ihm einen Sekundenbruchteil später. Statt zurückzuweichen, machte Father Tom einen Satz auf Bobby zu, und als die beiden kollidierten, riß der Priester Bobby von den Beinen. Er war gar nicht mehr Father Tom. Er war zu etwas mit übernatürlichen Kräften geworden und besaß jetzt die Kraft und Wildheit eines rasenden Stiers. Mit Bobby in den Armen stürmte er quer durch das Schlafzimmer, warf dabei einen Stuhl um und rammte Bobby dann so heftig in eine Ecke, daß eigentlich dessen Schultern hätten brechen müssen. Bobby schrie vor Schmerz auf, aber der Priester prügelte weiter auf ihn ein und scharrte mit der Klaue an ihm herum, als wollte er sich in ihn hineingraben.
Gleich darauf hatte ich mich in das Handgemenge gemischt, hing an Father Toms Rücken, schlang meinen rechten Arm um seinen Hals und packte mein rechtes Handgelenk mit der Linken. Ich hatte ihn im Schwitzkasten. Zerrte seinen Kopf nach hinten. Drückte ihm fast die Luftröhre zu und versuchte nach Kräften, ihn von Bobby wegzuziehen.
Er ließ tatsächlich von Bobby ab, aber statt auf die Knie zu fallen und zu kapitulieren, schien er die Luft, die ich ihm vorenthielt, oder die Blutversorgung des Gehirns, die ich unterband, gar nicht mehr zu benötigen. Er bäumte sich auf, als wollte er mich abschütteln und mich über seinen Kopf katapultieren, und wehrte sich immer heftiger.
Ich bekam mit, daß Sasha etwas rief, aber ich achtete nicht darauf. Der Priester bäumte sich ein viertes Mal auf und hätte mich dabei beinahe tatsächlich abgeschüttelt. Ich lockerte den Schwitzkasten, worauf er wie im Triumphgefühl knurrte, und jetzt hörte ich auch, was Sasha da rief: »Geh aus dem Weg! Chris! Chris, geh aus dem Weg!«
Ihrer Aufforderung nachzukommen verlangte einiges an Vertrauen, aber letztlich ist es stets eine Sache des Vertrauens, egal ob es sich um einen tödlichen Kampf oder einen
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