Im Bann der Dunkelheit
Krampf entwickeln würde.
Nach einer längeren Stille stieß das offenbar furchtsamste Mitglied des Kommandos ein leises Winseln aus. Es klang ängstlich. Man halte mich für gefühllos, für grausam gar, für einen regelrechten Hasser imitierter Affen, aber unter den gegebenen Umständen löste die Besorgnis in der Affenstimme nur Freude bei mir aus.
Die Angst der Tiere war so fühlbar, daß sie bestimmt kreischend unter die Decke gesprungen wären und sich dort mit den Fingernägeln festgekrallt hätten, hätte ich jetzt .Buh!. gesagt. Affen-Stalaktiten.
Nach dieser kleinen Finte wären sie natürlich so sauer geworden, daß sie mir mit dem Rest des Trupps die Eingeweide rausgerissen hätten, wenn sie schließlich wieder heruntergekommen wären. Was den Witz der Sache natürlich gründlich verdorben hätte.
Aber wenn ihnen so unheimlich zumute war, wie ich jetzt vermutete, würden sie sich vielleicht auf eine nur oberflächliche Suche beschränken und sich dann aus dem Haus zurückziehen, woraufhin der neugierige Coco dann des Trupps Pendant zu dem Jungen sein würde, der die Dorfbewohner spaßeshalber vor dem Wolf warnte.
Die gesteigerte Intelligenz dieser Rhesusaffen ist für sie genauso ein Fluch wie ein Segen. Mit höherer Intelligenz kommt das Bewußtsein darüber, wie kompliziert die Welt ist, und aus diesem Bewußtsein erwächst eine Anfälligkeit für Unerklärliches, für Wunderliches. Aberglaube ist die dunkle Seite des Wunderlichen. Geschöpfe mit einfacher tierischer Intelligenz fürchten nur echte Gefahren, etwa die Gefahr, die von ihren natürlichen Feinden ausgeht. Aber jene von uns, die über höhere kognitive Fähigkeiten verfügen, können sich mit einer unendlichen Menagerie eingebildeter Bedrohungen selbst quälen: Gespenstern und Kobolden und Vampiren und gehirnfressenden Außerirdischen. Das schlimme daran ist, daß es uns sogar richtig schwerfällt, nicht bei den schrecklichsten Wörtern jeder Sprache, wahrscheinlich selbst der Affensprache, zu verweilen: Was wäre, wenn...
Ich hoffte fest darauf, daß diese Geschöpfe gerade von einer entmutigenden Liste solcher quälenden Vorstellungen nahezu gelähmt wurden. Einer aus dem Kommando schnaubte, als wollte er sich den widerlichen Gestank aus der Nase vertreiben, und spuckte dann voller Abscheu aus.
Der Schlappschwanz winselte wieder.
Einer seiner Brüder antwortete ihm, allerdings nicht mit einem weiteren Winseln, sondern mit einem wütenden Knurren, was die behagliche Vorstellung, alle Affen wären zu furchtsam, um lange in der Küche zu bleiben, natürlich zerstreute. Zumindest der, der gerade geknurrt hatte, wirkte nicht eingeschüchtert. Er klang energisch genug, um die beiden anderen wieder zur Räson zu bringen.
Die drei drangen jetzt tiefer in die Küche ein, zogen am Besenschrank vorbei und entschwanden meinem Blickfeld. Sie schienen immer noch ziemlich beklommen zu sein, ließen sich aber nicht mehr von dem geräuschvollen Fußbodenbelag einschüchtern.
Ein zweites Kommando, das ebenfalls aus drei Mitgliedern bestand und sich wiederum nur durch die leuchtenden Augen zu erkennen gab, betrat den Raum. Die drei blieben stehen, damit ihre Augen sich an die undurchdringliche Dunkelheit gewöhnen konnten, und einer nach dem anderen sah in meine Richtung, ohne jedoch zu signalisieren, ob man mich entdeckt hatte.
Irgendwo in der Küche erklang ein anhaltendes Knacken von sprödem Linoleum. Ich hörte ein Scharren und dann ein Plumpsen, Geräusche, die zweifellos von einem der ersten drei Affen erzeugt wurden, der gerade auf die Küchenzeile kletterte.
Der Knopf auf meiner Mütze war so fest zwischen meinem Scheitel und dem Regal über mir eingeklemmt, daß es mir vorkam, als würde Gott seinen Daumen gegen meine Kopfhaut drücken, um mir unmißverständlich klarzumachen, daß meine Zeit abgelaufen, meine Eintrittskarte entwertet, mein Kredit verbraucht und meine Lizenz zum Leben widerrufen war. Hätte ich mich um ein kleines Stück niedergekauert, wäre der Druck zwar erleichtert worden, aber ich hatte Angst, daß die Affen mich - selbst bei dem Lärm, den sie machten hören würden, wenn mein Rücken und die Schultern an den Wänden des engen Schranks entlangglitten. Außerdem hatte der zuckende Nerv in meinem Bein sich doch zu einem leichten Krampf entwickelt, wie ich es befürchtet hatte; selbst eine leichte Veränderung meiner Position könnte den Wadenmuskel sich zusammenziehen und den Schmerz zu einer unerträglichen Qual
Weitere Kostenlose Bücher