Im Bann der Dunkelheit
bewegen sie sich soweit wie möglich durch Abflußrinnen fort, durch Parks, Trockentäler und ausgetrocknete Flußbetten, über unbebaute Grundstücke, vielleicht sogar von Baum zu Baum. Mit seltenen Ausnahmen zeigen sie sich niemandem. Sie sind Meister der Heimlichtuerei und bewegen sich unter uns so verstohlen, wie Termiten sich durch die Wände unserer Häuser bewegen, so unbemerkt wie Regenwürmer, die den Boden unter unseren Füßen mit Tunneln durchziehen.
Doch hier auf vertrauterem Gelände würde ihre Reaktion auf Motorenlärm vielleicht kühner und aggressiver ausfallen als in der Stadt. Vielleicht würden sie gar nicht vor ihm fliehen. Vielleicht wurden sie von ihm angezogen. Wenn sie dem Wagen folgten, ohne sich zu zeigen, und warteten, bis der Fahrer anhielt und ausstieg...
Das Motorengeräusch schwoll weiter an. Das Fahrzeug konnte nicht mehr sehr weit weg sein, wahrscheinlich war es nur noch ein paar Häuserreihen entfernt.
Ich ließ alle Vorsicht fahren, versuchte den Schmerz aus meinem Bein zu schütteln, als wäre er ein Straßenköter, der sich dort festgebissen hatte und sich einfach so wegtreten ließ, humpelte aus der Küche und eilte blindlings durch das affenleere Eßzimmer. Soweit ich es sehen konnte, lungerte auch keiner der Flohzüchter im Wohnzimmer herum.
An dem Fenster, durch das ich sie zuvor beobachtet hatte, drückte ich die Stirn gegen die Scheibe und konnte acht oder zehn Angehörige des Trupps auf der Straße sehen. Sie ließen sich, einer nach dem anderen, durch die Schachtöffnung fallen, in der ihre anderen Kameraden anscheinend bereits verschwunden waren.
Zum Glück lief Bobby jetzt nicht mehr Gefahr, daß man ihm das Gehirn auslöffelte und den Schädel als Blumentopf benutzte, um irgendeine Affenhöhle zu verschönern. Jedenfalls keine unmittelbare Gefahr mehr.
So schnell wie fließendes Wasser glitten die Affen in den Kanalisationsschacht und waren kurz darauf mit einem letzten quecksilberhaften Kräuseln verschwunden. Nach ihrem Verschwinden kam mir die von Bäumen gesäumte Straße nicht viel wirklicher als in einem Traum vor, wie eine bloße Illusion aus verzerrten Schatten und indirektem Licht, und ich war geneigt zu glauben, daß der Trupp genauso imaginär gewesen war wie die Besetzung eines Alptraums.
Ich lief zur Haustür und schob dabei das Ersatzmagazin wieder in den Beutel am Halfter. Die Glock behielt ich in der Hand.
Als ich die Veranda erreichte, hörte ich, wie der Kanaldeckel wieder an Ort und Stelle geschoben wurde. Es überraschte mich, daß die Affen kräftig genug waren, um den schweren Gegenstand vom Schachtinneren aus zu bewegen, selbst für einen erwachsenen Menschen eine nicht ganz einfache Aufgabe.
Das Motorbrummen hallte zwischen den Bungalows und Bäumen hindurch. Das Fahrzeug mußte jetzt ganz in der Nähe sein, obwohl weiterhin keine Scheinwerfer zu sehen waren.
Als ich die Straße erreichte, wobei ich noch immer versuchte, den letzten Rest des Krampfs aus dem Bein zu schütteln, schepperte der Kanaldeckel endgültig an seinen angestammten Platz. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um die gebogene Spitze eines stählernen Greifhakens zu sehen, der aus einem Schlitz im Deckel hervorlugte. Arbeiter der Stadtwerke sind mit solchen Werkzeugen ausgerüstet, damit sie die Kanaldeckel hochheben können, ohne sie mühsam an den Rändern packen und hochhieven zu müssen. Die Affen mußten den Haken gefunden oder gestohlen haben; wenn ein paar von ihnen sich an der Leiter im Kanalisationsschacht festhielten, konnten sie damit die nötige Hebelwirkung aufbringen, um die eiserne Scheibe an Ort und Stelle zu zerren und ihre Spuren zu verwischen. Daß sie Werkzeuge benutzten, barg bedrohliche Implikationen, über die ich nicht weiter nachdenken wollte.
Jetzt blitzten die Scheinwerfer zwischen den Bungalows auf. Der Wagen. Er fuhr auf der Parallelstraße hinter den kleinen Häusern.
Obwohl ich kaum etwas von dem Fahrzeug ausmachen konnte, war ich überzeugt, daß es Bobby war. Der Klang des Motors ähnelte dem seines Jeeps, und außerdem hielt das Fahrzeug auf das Geschäftsviertel der Totenstadt zu, wo wir uns ja treffen wollten.
Ich ging schnell in die Richtung, in die das Dröhnen des Motors jetzt entschwand. Der Wadenschmerz hatte sich aufgelöst, der Nerv flatterte allerdings auch weiterhin, und mein linkes Bein war bedeutend schwächer als mein rechtes. Da der Krampf jederzeit zurückkommen konnte, wagte ich gar nicht erst zu rennen.
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