Im Bann der Gefuehle
nachhaltig vor Alessandro schützen.
„Glaub, was du willst, Conte Mattani!“
„Bezeichne mich nicht so“, erwiderte Alessandro erbost. „Ich bin kein Fremder für dich.“
Carys sparte sich eine Antwort und wandte sich dem Foyer zu.
„So willst du doch jetzt nicht etwa gehen?“, rief er ihr hinterher.
Natürlich war sie sich ihres derangierten Äußeren bewusst: die Haare lose, das Kostüm verrutscht und barfuß. Aber es gab Schlimmeres.
„Du wirst es sehen.“
Alessandro stand auf der Privatterrasse seiner Suite und beobachtete die dunkel gekleideten Arbeiter, die sich auf dem Weg zur Brückenbaustelle befanden. Es war früh am Morgen, aber er hatte schon ein paar Arbeitsstunden hinter sich.
Allein aus Gewohnheit stand er früh auf und arbeitete bis spät in den Abend. Aber an diesem Morgen schaffte er es einfach nicht, seinen Frust abzubauen.
Dabei hatte er noch weniger geschlafen als gewöhnlich. Träume von schlanken Schenkeln, die seinen Körper umschlangen, hatten seine Ruhe gestört. Sturmgraue Augen und weibliche Kurven, die einen Mann in den Wahnsinn treiben konnten. Mehrmals war er schweißgebadet wach geworden, hatte nach Atem gerungen und gegen seine Erregung gekämpft. Aber nichts änderte die Tatsache, dass Carys Wells geflohen war, bevor sie ihnen beiden gestattete, wonach sie verlangten.
Ratlos rieb er sich über sein unrasiertes Kinn. Selbst im Traum hatte sie ihn abgelehnt. Alessandro konnte kaum glauben, wie feige sie war. Vor allem, nachdem er die Lust in ihren Augen gesehen hatte. Das Verlangen war so greifbar gewesen!
Wutentbrannt klammerte er sich an der Balustrade fest. War es vielleicht eine Taktik von ihr, ihn so unerfüllt zurückzulassen? Was erhoffte sie sich davon?
Alessandro schüttelte den Kopf. Keine Frau war zur Schauspielerin geboren. Zudem kannte er jeden erdenklichen Trick, wenn es darum ging, eine Dame in sein Bett zu locken. Aber das war in diesem Fall gar nicht nötig. Carys Wells wollte ihn, hatte ihnen beiden das Vergnügen der Zusammenfindung jedoch versagt. Warum?
Vom Fluss her strömte eine angenehm kalte Brise herüber. Er hätte nicht so hastig vorpreschen und zusehen dürfen, wie ihm die Zügel aus der Hand geglitten waren.
Eines der ersten Dinge, die er in der Firma seines Vaters gelernt hatte, war Geduld. In der Finanzwelt plante man die Dinge – ohne jegliche Emotionen – und schlug dann im entscheidenden Moment zu.
In der vergangenen Nacht hatte er nicht gerade seinem Verstand das Denken überlassen. Und damit war Carys fürs Erste verschreckt. Ihm war immer noch bewusst, wie erschrocken ihre Augen gewirkt hatten, als sie sich rückwärts dem Ausgang seiner Suite näherte.
Das tat Alessandro aufrichtig leid, am meisten natürlich für sich selbst. Er hatte Carys in die Flucht geschlagen und keine Ahnung, ob sie sich ihm jemals wieder freiwillig nähern würde.
Er hätte sich zurückhalten und seine animalischen Instinkte im Zaum halten sollen. Stattdessen hatte er sich dem Verlangen hingegeben, an die Vergangenheit anzuknüpfen. Und damit hatte er Carys buchstäblich verjagt. Ihre weit aufgerissenen Augen hatten Bände gesprochen. Und dieser Fehler tat ihm fast körperlich weh.
Ungeduldig fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht und schnitt eine Grimasse. Sein Sicherheitsteam hatte ihm berichtet, sie wäre heil nach Hause gekommen, ohne die Observation zu bemerken. Trotzdem fühlte er sich schuldig. Immerhin hatte er sie mit seinem Verhalten völlig aus der Bahn geworfen.
Wann hatte er sich jemals so unkontrolliert und rücksichtslos verhalten? Würde es mit ihr immer so sein? Diese Frage zermürbte ihn. Er war so dicht an der Wahrheit, und trotzdem waren alle Antworten verborgen.
Das Klingeln seines Mobiltelefons erlöste ihn aus diesen trüben Gedanken. Es war Bruno, Chef seines Sicherheitsteams, der ihm mitteilen wollte, wohin Carys sich an diesem Morgen begab.
Alessandro erstarrte und gab ein paar knappe Befehle. Dann ließ er das Telefon sinken und wartete auf die Bilder, die Bruno ihm auf sein Handy schicken wollte.
Da waren sie. Durch die Bewegung leicht verschwommen, aber dennoch unverkennbar. Carys Wells in einem makellosen Outfit und mit perfekter Frisur. Und in ihrem Arm … Alessandro beugte sich tiefer über sein Handy. Ein Baby.
Carys hatte ein Kind.
Ungläubigkeit presste ihm die Luft aus der Lunge. Sein Kiefer verkrampfte sich. Wessen Kind war das? War dieser Kerl der Vater, dieser Exfreund, von dem sie
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