Im Bann der Gefuehle
leise. „Dann hast du es bequemer.“ Seinen Morgenmantel hatte er inzwischen abgestreift, und Carys entging nicht, dass Alessandro wieder erregt war. „Es geht schneller, wenn ich dir helfe.“
Die ganze Zeit über beobachtete sie sein Gesicht und zuckte nur leicht zusammen, als der teure Stoff schließlich zu Boden fiel, und sie nackt auf dem Bett vor ihm lag. Seine Augen leuchteten sichtbar auf.
Mit einem Mal fühlte Carys sich machtvoll und begehrt – ein unbeschreiblich gutes Gefühl. „Hast du das eben eigentlich ernst gemeint?“, erkundigte sie sich vorsichtig. „Ich meine, dass da keine Frau mehr seit dem Unfall war?“
Es klang so unwahrscheinlich, besonders nachdem Alessandro sie ja beschuldigt hatte, sie wäre ihm fremdgegangen. Andererseits war der Alessandro, den sie kannte, kein Lügner. Wenn er sagte, es war so …
Seufzend streckte er sich neben ihr aus und nahm ihre Hände in seine. Zuerst glaubte Carys, er würde ihr nicht antworten, aber dann begann er doch zu sprechen. „Es stimmt, es gab niemanden mehr.“ Allerdings schien er nicht gerade glücklich über diesen Umstand zu sein. Vermutlich war das für einen Italiener eine echte Beleidigung seiner Männlichkeit. Carys verspürte ihrerseits nur eine berauschende Erleichterung und ein Glücksgefühl darüber, dass ihre Beziehung nachhaltiger gewesen war, als sie bisher geglaubt hatte. Hatte Alessandro etwa all diese Zeit über unbewusst auf sie gewartet?
Andererseits musste das gar nichts bedeuten. Wahrscheinlich hatte es nur mit seinen Verletzungen oder auch mit der Arbeit in seiner angeschlagenen Firma zu tun. Aber ein kleiner, eitler Teil von ihr wollte unbedingt daran glauben, dass Alessandro sich für sie aufgespart hatte.
„Carlotta hat mir erzählt, dass ihr beide nie ein Paar wart“, platzte Carys heraus. „Und dass du sie gar nicht heiraten wolltest.“
Er zuckte nur die Achseln. „Ich habe dir doch gesagt, ich würde mich nie so schändlich benehmen. Carlotta ist eine alte Freundin von mir, mehr nicht.“
Carys wünschte sich, sie hätte nur halb so viel Selbstsicherheit wie er. Ein Leben lang hatte man ihr zu verstehen gegeben, wie unzureichend sie war, bis es schließlich in ihre eigenen Gedanken und ihr eigenes Selbstverständnis überging.
„Es tut mir leid, dass ich dir misstraut habe, Alessandro.“ Nun drückte sie seine Hand, und er sah sie eine Weile schweigend an. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Antwort.
„Jetzt kennst du die Wahrheit“, brummte er schließlich. „Die Vergangenheit spielt keine Rolle mehr.“
Das tut sie doch, wollte Carys rufen. Wenn sie es damals geschafft hätten, einander zu vertrauen, wären sie vielleicht zusammengeblieben.
„Ich glaube dir, dass du mir treu warst, Alessandro“, stieß Carys hervor. „Fällt es dir wirklich so wahnsinnig schwer, mir das gleiche Vertrauen entgegenzubringen?“
Schweigend starrte Alessandro in ihr ernstes, leicht gerötetes Gesicht und dachte darüber nach, was für ein merkwürdiges Gefühl diese Frage in ihm auslöste. Carys besaß die Gabe, sein Innerstes nach außen zu krempeln.
Automatisch versuchte er, die aufgewirbelten Emotionen schnell wieder unter Kontrolle zu bringen und vor ihr zu verbergen. Sie waren ihm viel zu fremd, zu unberechenbar und gefährlich.
„Für mein Empfinden ist die Vergangenheit vorbei und erledigt. Man kann nichts erreichen, indem man sie künstlich wiederbelebt. Stattdessen sollten wir uns auf die Zukunft mit unserem gemeinsamen Kind konzentrieren. Und auf unser Leben miteinander.“
Sie blinzelte ein paar Mal, und Alessandro hätte schwören können, dass sie Tränen in den Augen hatte. Ihm wurde ganz übel bei dem Gedanken, für ihren Kummer verantwortlich zu sein. Andererseits wollte er auch nicht lügen, denn immerhin würde er mit dieser Frau sein ganzes Leben verbringen.
Mit seinem Vertrauen war es nicht so weit her. Ohne jegliche Beweise auf das Wort einer Frau zu setzen, war für ihn etwa so unnatürlich, wie unter Wasser nach Luft zu schnappen.
Außerdem musste es einen triftigen Grund für seine Anschuldigung geben. Bis er mehr wusste, würde er sich mit einem endgültigen Urteil zurückhalten. So würde jeder vernünftige Mann handeln.
Carys rückte ein wenig von ihm ab. „Ich muss das Kleid aufhängen“, sagte sie kühl, und nun überfiel Alessandro erst recht ein schlechtes Gewissen. Es gefiel ihm gar nicht, seine Frau zu kränken, doch er konnte nicht anders.
„Später.“
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