Im Bann Der Herzen
Fenstern, deren üppige bernsteinfarbige Samtdraperien zugezogen waren, um den garstigen Winterabend auszusperren. Sie brachte die Gläser ans Sofa. Chastity nahm eines und setzte sich, die Beine kreuzend, und sah ihre Schwester erwartungsvoll an. Sie war es gewohnt, bei beiden Schwestern die einfühlsame Zuhörerin zu spielen.
Prudence nippte am Sherry und fing an. »Gideon möchte einen Mann verteidigen, der sich weigert, für ein Kind zu sorgen, das seine ehemalige Geliebte unehelich geboren hat. Dies bedeutet, dass Gideon die Frau angreifen wird ... ihre Moral, ihre Motive. Er behauptet, dass sie nur aus Habgier handelte und mit Absicht schwanger wurde, um den Mann an sich zu ketten. Nun versuche sie, seine Ehe und seine Karriere zu ruinieren.«
Chastity schnitt eine Grimasse. Sie war sich völlig einig mit ihrer Schwester. Jeder andere Standpunkt wäre den Duncan-Schwestern unmoralisch erschienen. »Glaubt Gideon das wirklich?«
»Nein, sicher nicht. Er sagt aber, er würde jeden Fall übernehmen, der ihn interessiert und herausfordert, ohne Rücksicht auf Schuld oder Unschuld.« Prudence schüttelte angewidert den Kopf. »Wir würden bald auf der Straße landen, wenn er lediglich Fälle übernähme, die mit meinen moralischen Vorstellungen vereinbar sind, behauptet er.«
Chastity musste lachen. »Verzeih«, sagte sie, »aber du musst zugeben, dass er vermutlich Recht hat. Wenn wir jeden Fall, der sich ihm bietet, auf Herz und Nieren prüfen, ob er unseren Ansichten von Recht und Unrecht entspricht, könnte er bald seine Anwaltspraxis zusperren.«
Prudence lächelte widerstrebend. »Es ist ja nicht so, dass ich in diesen Dingen unpraktisch denke, aber gerade dieser Fall traf mich an meiner empfindlichsten Stelle.«
»Ja, das sehe ich ein.« Chastity nippte an ihrem Sherry. »Kommt Con heute früher?«
Prudence warf einen Blick auf die Kaminuhr. »Sie sollte schon da sein. Spätestens um sieben, sagte sie, damit uns Zeit für das Geschäftliche bleibt, ehe die Gäste eintreffen.«
»Dann ziehe ich mich jetzt fürs Dinner um, ehe sie kommt.« Chastity stand auf. »Würdest du mir deinen topasfarbigen Schal borgen? Er passt so gut zum grünen Kleid.«
»Aber natürlich. Du brauchst auch ein passendes Band für dein Haar. Ich suche dir eines heraus, wenn ich mich umkleide. Möchtest du ein Bad nehmen? Ich schicke dir Becky als Hilfe.«
»Nein, ich badete am Morgen und komme beim Umkleiden allein zurecht. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mich an eine Zofe gewöhnen könnte.«
»Ach, du würdest staunen, wie rasch das geht«, erwiderte Prudence. »Warte nur, bis du einmal ein Leben in Luxus führst.«
Chastity schüttelte nur lächelnd den Kopf und ging ins Gästezimmer, wo Sarah bereits ihr Kleid aufgehängt hatte.
Ein Krug mit heißem Wasser dampfte auf dem Waschtisch neben einem Stapel dicker Handtücher. Während sie ihre Reisetasche auspackte, überlegte sie, dass ihre Schwestern sich mit bemerkenswerter Leichtigkeit an die luxuriösen Annehmlichkeiten gewöhnt hatten, die ihre wohlhabenden Ehemänner ihnen bieten konnten. Man konnte es ihnen allerdings kaum verübeln, nachdem sie so lange am Rande des Bankrotts leben mussten und auf alle Annehmlichkeiten hatten verzichten müssen, die sie zu Lebzeiten ihrer Mutter genossen hatten - ehe Lord Duncan sein letztes Hemd an den Earl of Barclay verlor. Sie war also sehr wohl imstande, sich allein anzukleiden.
Binnen zwanzig Minuten begab sie sich wieder ins Wohnzimmer ihrer Schwester und knöpfte sich im Gehen die Knöpfe an den engen Ärmeln zu. Prudence, die nun ein schwarzgraues Abendkleid aus Seide trug und das zimtrote Haar auf dem Hinterkopf aufgetürmt hatte, trat aus dem Schlafzimmer, als Chastity die Wohnzimmertür hinter sich schloss.
»Das Kleid ist wunderbar«, sagte Prudence bewundernd. »Dieses Grün passt herrlich zu deinem Haar. Komm, ich will dir das Band reinflechten.« Geschickt brachte sie das topasfarbige Band in Chastitys kunstvoll arrangierten roten Locken unter und drapierte den Schal um ihre Schultern. »Du siehst wie immer reizend aus.« Ein leichter Schatten huschte über ihre hellgrünen Augen. »Du bist dünner geworden, Chas.«
»Ja, ich hatte den Eindruck, das Kleid würde ein wenig lockerer sitzen.« Chastity strich die Falten befriedigt glatt. Als Kleinste der drei Schwestern neigte sie mehr zur Rundlichkeit als die viel größere Constance oder die eckigere Prudence. »Wahrscheinlich esse ich weniger
Weitere Kostenlose Bücher