Im Bann Der Herzen
hatte noch nicht ausgesprochen, als er schon zur Tür ging. Mit der Hand auf der Klinke bedachte er sie mit einem letzten, undefinierbaren Blick. »Leb wohl, Chastity.«
Leise schloss sich die Tür hinter ihm, als er sie verließ, und die leichte Brise ließ aus dem verglimmenden Feuer Flammen auflodern.
O Gott. Chastity legte sich zurück und bedeckte mit dem Arm ihre Augen, in denen Tränen hinter den geschlossenen Lidern brannten. Sie begriff jetzt, dass er sie geliebt hatte. Die Bitterkeit seines Schmerzes verriet es ihr. Es war keine leichte Affäre gewesen, keine flüchtige Liebelei. Für Douglas ebenso wenig wie für sie. Und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich etwas daran ändern ließ.
Den Rest dieser Nacht, die ihr wie eine wahre Ewigkeit erschien, lag sie schlaflos da, bis ihr das Morgengrauen schließlich einen unruhigen Schlummer bescherte. Sie erwachte an einem strahlenden Tag mit klarem blauem Himmel. Kalter Sonnenschein wurde vom Schnee reflektiert und lockte sie aus dem Bett. Da Douglas angekündigt hatte, er wolle den ersten Zug nach London nehmen, musste er längst fort sein.
Chastity zog sich an und ging hinunter. Jenkins querte aus dem Frühstückszimmer kommend die Halle, eine leere Kaffeekanne in der Hand. »Guten Morgen, Miss Chas.«
»Guten Morgen, Jenkins. Ist Dr. Farrell gut abgereist?« Sie schlug einen beiläufigen Ton an, ganz die besorgte Hausfrau, die sich nach dem Aufbruch eines Gastes erkundigt.
»Vor etwa einer Stunde brachte Fred ihn im Gig zum Bahnhof«, sagte Jenkins. Er fasste sie genauer ins Auge. » Alles in Ordnung, Miss Chas?«
»Ja, natürlich«, sagte sie obenhin. »Sicher sehen wir ihn wieder, wenn wir in London sind.« Sie lächelte und ging ins Frühstückszimmer, wo sich bis auf die Contessa, die stets im Bett frühstückte, und Sarah und Mary Winston, die bereits gegessen hatten und schon draußen waren, um das Wintermärchenland zu erkunden, die Übrigen zusammengefunden hatten.
Lord Duncan blickte von seinem Teller mit Nieren und Schinken auf. »Guten Morgen, meine Liebe. Schön, nicht? Perfektes Jagdwetter.« Er seufzte.
Chastity nickte zerstreut und setzte sich zwischen ihre Schwestern.
»Schade, dass wir auf diesen Dr. Farrell verzichten müssen. Netter Kerl.«
»Was für ein medizinischer Notfall war es, Chas?«, fragte Constance. »Hat er etwas erzählt?«
Chastity schüttelte den Kopf und versuchte ein Lachen. »Ärztliche Schweigepflicht«, sagte sie und nahm eine Scheibe Toast vom Ständer. Sie sah, dass ihre Finger zitterten und legte den Toast rasch hin, wollte nach der Kaffeekanne greifen, um ihre Tasse zu füllen, und verwarf den Gedanken.
Constance nahm die Kanne und goss ihrer jüngsten Schwester ein. »Trink«, raunte sie. »Du siehst aus, als würdest du Kaffee brauchen.«
Chastitys Lächeln war leer, doch nahm sie die Tasse und brachte es fertig, unter den besorgten und ratlosen Blicken ihrer Schwestern daraus zu trinken, ohne einen Tropfen zu verschütten. Da sie seit dem vergangenen Abend wussten, dass Douglas abreisen wollte, und er sich vor dem Zubettgehen verabschiedet hatte, war Chastitys unübersehbarer Kummer für sie unerklärlich.
»Was ist für heute geplant?«, lenkte Constance munter ab und griff nach der Butter.
»Frische Luft«, schlug Max vor. »Und zwar reichlich.«
»Ich werde Jenkins sagen, dass wir die Flinten mitnehmen«, kündigte Lord Duncan gut gelaunt an. »Wir könnten ein paar Enten auf dem Teich abschießen ... eine oder zwei Gänse. Na, was haltet ihr davon?«
»Ihr Männer könnt das getrost tun«, erwiderte Prudence. »Die Damen werden Eis laufen. Ich habe es Sarah versprochen.«
Gideon schien besorgt. »Woher willst du wissen, ob das Eis schon trägt?«
»Gideon, mein Lieber, das Wasser im Pferdetümpel ist nur einen Fuß tief«, sagte Prudence mit einem überlegenen, wenn auch liebevollen Lächeln. »Du glaubst doch nicht, ich würde Sarah auf den See lassen?«
»Woher sollte ich wissen, dass ein Pferdetümpel existiert?
Das Landleben ist mir völlig fremd. Ich hab nur den See entdeckt.«
Chastity knabberte an ihrem Toast, dankbar, dass ihr im Moment niemand Aufmerksamkeit zollte.
»Laura, kommen Sie mit uns aufs Eis? Oder haben Sie andere Pläne?«, fragte Constance.
Laura zierte sich zunächst unter leichtem Erröten. »Ich glaube, Lord Berenger schlug vor, wir sollten bei gutem Wetter hinüber zu seinem Haus wandern. Er hat seinerzeit aus Italien einige
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