Im Bann Der Herzen
schmeichelte aber der stattlichen Figur der Dame. Und die Diamanten am Hals und an den Ohren funkelten prachtvoll.
»Willkommen in London, Contessa«, sagte sie mit warmem Lächeln.
»Danke, Miss Duncan. Alle sind so nett.« Ihre Sprechweise, zögernd und von einem kaum wahrnehmbaren Akzent getönt, hörte sich an, als wäre ihr Englisch von einer Sprache überlagert, deren Gebrauch ihr vertrauter war.
»Und das ist Miss della Luca«, sagte Prudence. »Miss della Luca, meine Schwester Chastity.«
Laura della Luca, groß und dünn, blickte auf Chastity hinunter. Ihr sittsam hochgeschlossenes taubengraues Kleid schlotterte um ihre schmalen Schultern wie um einen Kleiderhaken. Ihr streng in der Mitte gescheiteltes Haar war zu zwei Zöpfen geflochten und über den Ohren aufgerollt. Mit hoheitsvollem Blick verzog sie den schmalen Mund und deutete ein Lächeln an. »Sehr erfreut«, sagte sie in einem Ton, der alles andere als Freude ausdrückte. »Es ist mir so ungewohnt, mit Miss angesprochen zu werden«, sagte sie. »Signorina ist mir viel angenehmer.«
»Wir werden uns bemühen, daran zu denken«, sagte Prudence mit einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. »Fremde Umgangsformen sind uns ungewohnt.«
Chastity erhaschte Gideons Blick. Er schien zu merken, dass dieser Gast die scharfe Seite der Zunge seiner Frau gefährlich reizte. Ein Glück, dass dies außer der engeren Familie niemand merkte. Signorina della Luca würde die Pfeile des Spotts gar nicht wahrnehmen, die zielgenau jeden Versuch der Anmaßung treffen würden.
»Ja, ich finde, dass Engländer nicht viel reisen«, sagte die Dame nun. »Dabei erweitern Reisen den Horizont ungemein.«
»Allerdings«, sagte Constance mit einem Lächeln, das jenem ihrer Schwester sehr ähnlich war. »Wie kommt es dann, dass Weitgereiste so oft Verachtung für die Eingeborenen dieses rückständigen Landes hegen?«
Max und Gideon wechselten Blicke, in denen sich widerwillige Belustigung mit einem gewissen Ausmaß an Verzweiflung mischte. Einmal in Fahrt, waren ihre Frauen nicht zu bremsen.
Von Chastity kam Hilfe. »Ach, Sie müssen mir von Italien erzählen«, bat sie. »Meine Schwestern und ich verbrachten mit unserer Mutter längere Zeit in Florenz, doch liegt das schon so lange zurück. Oder kommt es mir nur so vor«, setzte sie hinzu. »Sicher kennen Sie Florenz sehr gut.«
»Ach, Firenze, natürlich«, flötete die Dame. »Wir besitzen eine Villa am Stadtrand. Manchmal habe ich das Gefühl, die Uffizien wären mein zweites Zuhause.«
»Was für ein Glück für Sie«, sagte Chastity. »Wir konnten dort nur einen Monat verbringen.«
»Ein Monat reicht aber aus, um die Galerie sehr gut kennen zu lernen, Miss Duncan«, sagte die Contessa mit angenehmem Lächeln.
»Wenn man sich richtig vertieft, natürlich«, warf ihre Tochter ein. »Aber ich glaube kaum, Mama, dass ein Aufenthalt als Tourist, selbst wenn man einen ganzen Monat aufwendet, mit dem ständigen Leben dort vergleichbar ist.«
»Das Dinner ist serviert, Lady Malvern.« Die sonore Stimme des Butlers machte der Konversation zeitgerecht ein Ende, und Gideon atmete auf.
Er bot der Contessa seinen Arm, während Max auf ein Nicken seiner Schwägerin hin diesen Dienst der Signorina erwies. Paarweise bewegte sich die Gesellschaft nun würdevoll durch die Halle in das Speisezimmer.
Prudence hatte der Contessa den Ehrenplatz zur Rechten Gideons eingeräumt. Die Signorina platzierte sie zwischen Max und einem mit Gideon befreundeten Richter, der rechts von ihr selbst saß. Sie befand sich daher in nächster Nähe zu ihrem Gast. Zum Glück saßen Chastity und Roddie Brigham gegenüber am gleichen Ende der Tafel, so dass die Konversation erleichtert wurde. Constance, die bei Gideon saß, würde sich an den am anderen Ende des Tisches geführten Gesprächen nicht beteiligen können.
»Hat Gideon heute zu den Tafelfreuden beigetragen und etwas gekocht, Prue?«, fragte Chastity ihre Schwester, als sie Platz nahmen.
»Nein, aber er wählte die Speisenfolge aus«, antwortete Prudence. Sie wandte sich an die Signorina. »Miss della Luca, Sie müssen nämlich wissen, dass mein Mann ein hervorragender Koch ist.«
»Ach ... wirklich ... wie ungewöhnlich.« Lauras Blick sprach Bände. »Ein Italiener würde sich niemals in die Küche stellen. Wie unmännlich.«
»Nun ja«, meinte Prudence, »der italienische Charakter unterscheidet sich gewiss beträchtlich vom englischen. Engländer sind um ihre Männlichkeit
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