Im Bann Der Herzen
nicht kennen?«
»Nur die Contessa della Luca und ihre Tochter Laura. Alle anderen kennt ihr.«
Chastity legte den Kopf schräg. »Das hört sich aber exotisch an.«
»Die Contessa war Gideons Klientin.«
»Eine, die deine Billigung fand«, bemerkte Chastity, die ihren gewohnten Gleichmut wieder gefunden hatte, mit einem Anflug von Schalkhaftigkeit.
»So ist es, Chas«, erwiderte Prudence lachend. »Es ging darum, ihr zu ihrem Vermögen zu verhelfen. Sie ist Engländerin, war mit einem italienischen Conte verheiratet und ist seit kurzem Witwe, weshalb sie sich entschloss, mit ihrer Tochter nach England zurückzukehren. Ich kenne beide noch nicht und weiß nur, was Gideon mir berichtete. Er bat mich, sie einzuladen und sie quasi in die Gesellschaft einzuführen. Ich glaube nicht, dass er die Tochter schon kennt. Gideon, hast du Laura della Luca kennen gelernt?«, fragte sie, als ihr Mann eintrat.
»Nein, nur die Mutter. Eine angenehme Person. Ich nehme an, die Tochter ist ähnlich.« Er ging daran, sich einen Whiskey einzuschenken. »Will jemand noch einen Sherry?«
Die Türglocke ertönte, und man hörte, wie Max Ensor den Butler ungezwungen und vertraulich begrüßte. Max trat begleitet von Sarah ein, die ankündigte: »Der Sehr Ehrenwerte Max Ensor, Minister für Transport, Parlamentsabgeordneter für den Bezirk Southwold.«
»Freches Ding«, sagte Max und tippte ihr leicht auf die Wange. Sarah duckte sich und grinste. Sie mochte diesen neu gewonnenen Onkel ebenso wie die Tanten.
»Darf ich dir einen Drink bringen, Onkel Max?«
»Whiskey, bitte. Sarah.« Er gab erst seiner Frau einen Kuss, sodann seinen Schwägerinnen und wechselte mit seinem Schwager einen Händedruck.
»Schwerer Tag?«, fragte Constance, die ihn anlächelte, als er sich auf die Armlehne des Sofas neben ihr niederließ.
»Nein, eher ein träger«, sagte er und wickelte eine rötliche Locke um seinen Finger. »Den ganzen Nachmittag spielte ich Billard.«
»Und ... hast du gewonnen?« Constance wusste, dass ihr Mann ebenso ehrgeizig war wie sie.
»Das fragst du?«
Sie lachte. »Natürlich hast du gewonnen.«
Da der Butler die ersten Dinnergäste ankündigte, war die Zeit vertraulicher Familiengespräche vorbei.
Chastity widmete ihre Aufmerksamkeit pflichtschuldigst Lord Roderick Brigham, der sie zu Tisch führen sollte. Es fiel ihr nicht besonders schwer, da sie ihn seit Jahren kannte und er ein ungezwungener und gewandter Gesellschafter war. Sie vollführten die obligaten Schritte der Geselligkeit ganz automatisch und tauschten launige Begebenheiten aus der Familie aus, als die Contessa della Luca und ihre Tochter angekündigt wurden.
»Kennst du sie?«, fragte Lord Brigham leise.
»Nein. Und du?«
»Nur dem Hörensagen nach. Meine Mutter lernte sie unlängst beim Tee bei Lady Wigan kennen.«
Chastity blickte zu ihm auf, da sie etwas Ungesagtes aus seinem Ton heraushörte. Lord Brighams Mutter, eine etwas einschüchternde Dame, galt als gute Menschenkennerin. »Und?«, fragte sie mit der Lockerheit jahrelanger Freundschaft.
Er senkte den Kopf und näherte seinen Mund ihrem Ohr. »Meine Mutter fand die Contessa charmant, ihre Tochter aber ...« Er ließ den Satz unvollendet.
»Dabei kannst du es nicht einfach belassen«, erwiderte Chastity gedämpft und warf verstohlen einen Blick auf die Neuankömmlinge, die von den Gastgebern begrüßt wurden.
»Eine Langweilerin«, flüsterte er. »Genauer gesagt eine affektierte Langweilerin.«
Chastity ermahnte sich, dass es lieblos war, sich über Klatsch zu amüsieren, konnte aber ein ersticktes Auflachen nicht unterdrücken. Sie vermeinte die Respekt heischende Lady Brigham - zu hören, wie sie ihr Urteil wohl formuliert zum Ausdruck brachte und dabei ihre lange Nase verächtlich anhob.
»Wir lassen uns jetzt besser bekannt machen«, murmelte sie und ging auf die Gruppe zu, die sich vor dem Kamin zusammengefunden hatte.
»Contessa, darf ich Ihnen meine Schwester, die Ehrenwerte Chastity Duncan vorstellen«, sagte Prudence, als ihre jüngere Schwester zu ihnen trat. »Die Contessa della Luca ...« Sie vollführte zwischen den beiden die entsprechende Geste.
Chastity ergriff die Hand der Frau, die, obwohl weit über die mittleren Jahre hinaus, auffallend frisiert war. Ihr ergrautes Haar war zu einem Pompadour aufgetürmt, in dem wippende Straußenfedern steckten. Ihr blaugoldenes Damastkleid, unterlegt und fest geschnürt, war mit seinen Keulenärmeln eindeutig außer Mode,
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