Im Bann der Leidenschaften
diese Frau meinem Mann schreibt!
Mit fliegenden Fingern durchforste ich sämtliche Nachrichten der vergangenen Tage. Vier SMS hat die Spanierin meinem Mann geschickt, zwölf Mal hat sie ihn angerufen, davon zehnmal in seiner Abwesenheit. Allerdings hat er keine einzige SMS an sie geschickt. Außerdem hat er ihre Nachrichten nicht gelöscht. Das spricht dafür, dass er mir entweder vertraut, oder dass er sich nicht für sie interessiert. Vielleicht steigt nur sie ihm hinterher, während er kein Interesse an ihr hat. Der Gedanke gefällt mir, überzeugt mich aber nicht.
Ich gehe zurück ins Schlafzimmer und lege das Handy wieder auf Philippes Nachttisch. Es ist jetzt 22 Uhr 20. Noch vierzig Minuten bis Isabel am Kanuverleih auf meinen Mann wartet. Von unserem Penthouse aus sind es knappe zehn Minuten zu Fuß bis zu der Holzhütte, wo man die Kanus bekommt – sofern man gesunde Füße hat.
Leise verschließe ich die Terrassentür und krieche unter meine Decke. Während ich warte, ob mein Mann sich eventuell noch einmal aus dem Haus schleicht, überlege ich mir, wie ich in dem Fall reagieren werde.
Zwanzig Minuten später kommt tatsächlich Bewegung in Philippe.
Starr vor Schreck schließe ich die Lieder und tue so, als ob ich schlafe. Philippe besitzt tatsächlich die Frechheit, um das Bett herumzugehen und sein Ohr an meinen Mund zu legen, um zu überprüfen, ob ich wirklich schlafe. Leise ruft er meinen Namen. Ich knurre und drehe mich um. Als ich mich nicht mehr rühre, tappst er zur Balkontür, öffnet sie vorsichtig und entschwindet in die Dunkelheit.
Ich warte noch einen Augenblick, dann schlüpfe auch ich aus dem Bett. Wegen meines verletzten Fußes bin ich längst nicht so leise und so schnell wie Philippe. Mit fliegenden Fingern ziehe ich mein Negligé über den Kopf und schlüpfe wieder in das kurze, weiße Kleid mit dem Ausschnitt, das ich beim Abendessen getragen habe, um Philippe anzumachen. Dann stütze ich mich auf meine Krücken und mache mich auf den Weg zum Kanuverleih.
Als ich die unterste Stufe der Außentreppe erreiche, ist Philippe bereits über alle Berge. Wie ein geprügelter Hund kämpfe ich mich durch den Sand.
Die Nacht ist wieder einmal pechschwarz, der Himmel ist voller winziger, glitzernder Sterne. Ich bemühe mich, mir nicht allzu viele Szenen zwischen Philippe und der Spanierin auszumalen. Zwischendurch bin ich immer wieder kurz davor umzukehren. Warum will ich mir auch noch ansehen, wie mein Mann es mit dieser Frau treibt? Genügt es nicht, dass ich weiß, dass er mich betrügt? Will ich ihn wirklich auf frischer Tat ertappen? Oder soll ich es für mich behalten? Und dann sind wir wirklich quitt?
Aber nein, ich will es mit eigenen Augen sehen, wie er sie fickt. Und dann verlasse ich ihn. Eine Ehe, in der beide Partner sich bereits in den ersten Tagen gegenseitig betrügen, ist keinen Pfifferling wert. Plötzlich ist es mir klar: Solch eine Ehe will ich nicht führen. Ich möchte mit einem Mann zusammen sein, für den ich die einzige bin. Und ich möchte, dass dieser Mann der einzige für mich ist.
Ich habe keinen Grund zu heulen oder wütend zu sein auf Philippe. Selbst wenn er mich vermutlich betrügt, seit wir uns kennen. Na ja, in den ersten paar Wochen in Cherry Hill war er mir vielleicht treu. Allerdings wohl nur in Ermangelung eines halbwegs geeigneten Frauenangebots. Man sieht ja, was passiert, sobald auch nur ein reizendes Frauenzimmer auf der Bildfläche erscheint. Nur dass es außer mir noch mehr frisch Verheiratete gibt, die in den Flitterwochen über die Dörfer gehen, das hätte ich nicht gedacht. Mein Glaube an die Ehe und an die einzige, die wahre Liebe, ist zutiefst erschüttert.
In der Ferne taucht der Kanuverleih auf. Er steht in einer Reihe mit dem Tretbootverleih und dem Laden, in dem ich meinen pinkfarbenen Bikini gekauft habe, den ich zum Andenken ganz unten in meinen Koffer gepackt habe, beziehungsweise das, was von dem Zweiteiler übrig ist. Die drei Hütten sind, wie alles in der Ferienanlage, mit Lichterketten geschmückt. Leise Musik erklingt. Na wunderbar … Mit mir wollte er sich nicht amüsieren, aber mit ihr schon.
Als ich mich dem Kanuverleih nähere, kommt mir wieder Jerôme in den Sinn. Wie er auf meiner Hochzeit von der Liebe einer Unbekannten gegenüber gesprochen hat. Ich bin diese Unbekannte. Oh, ich hätte Philippe nicht heiraten dürfen! Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn liebe oder nicht. Ich war mir in gar nichts mehr sicher, war
Weitere Kostenlose Bücher