Im Bann der Leidenschaften
mich zu meinen Eltern zurückschicken?“
Philippe verdreht die Augen. „Auf was für Ideen du immer kommst. Daran merkt man, dass du eine Frau bist.“
„Ich hätte da noch ein paar andere weibliche Attribute anzubieten“, grinse ich anzüglich.
„Schon klar“, brummt Philippe, während er aus Versehen ein gegrilltes Blumenkohlröschen mit der Gabel von seinem Teller kickt. Mit einer flinken Bewegung schnappt er es und schiebt es sich in den Mund, verzieht aber gleich darauf angewidert das Gesicht. Blumenkohl mag mein Gatte wohl nicht.
„Vielleicht sollten wir unsere Terrasse noch einmal nutzen“, gurre ich. „Oder das Meer – das ist nicht so weit entfernt.“
„Mein Freund Jerôme hat zwei Luxus-Hotels. Für eines davon, ich weiß nicht ob für das, was gleich bei uns um die Ecke ist, oder für das Rive Droîte, sucht er händeringend eine Rezeptionistin, die fließend Englisch und Französisch spricht.“
Meine Arme sinken auf die Tischplatte. Was ist das für ein Themenwechsel? Außerdem habe ich ganz bestimmt nicht vor, in dieser Umgebung über Jerôme zu sprechen. Oder über irgendein x-beliebiges Thema, das mit Jerôme zu tun hat. Ich will überhaupt nie wieder über Jerôme sprechen. Und begegnen möchte ich ihm schon gar nicht. Auch nicht beruflich. Ich hatte ihn so gut wie vergessen.
„Philippe, ich würde wirklich gern unseren letzten Abend genießen. Vielleicht kannst du dich noch einmal für zwei Stunden vom drohenden Alltag losreißen. Meinst du, das geht?“
„Entschuldige.“
Aha. Und jetzt? Irgendwie ist die Stimmung weg. Jetzt geistert mir Jerôme durch den Kopf. Warum zum Teufel musste Philippe seinen Namen erwähnen?
„Ich habe keinen Appetit mehr auf ein Dessert, Philippe. Sollen wir uns an der Bar einen Drink holen?“
„Wir können uns einen Drink herbringen lassen.“
Nein. Ich stehe auf. Sofort eilt Philippe mir zu Hilfe, reicht mir die Krücken und stützt mich. Als ob ich mich gar nicht mehr allein bewegen könnte.
„Philippe, ich würde lieber noch ein wenig unter Leute gehen. Verzeih mir, aber unseren letzten Abend in den Flitterwochen habe ich mir anders vorgestellt.“ Eigentlich habe ich keine Lust auf Leute, sondern auf Philippe, aber so wie der drauf ist, will ich doch lieber ein paar Fremden begegnen. Vielleicht bringt die Abwechslung meinen Ehemann auf andere Gedanken.
Philippe folgt mir wie ein Hündchen. Auf dem Weg zur Bar schmiege ich mich mehrfach an ihn, doch er zeigt keine Reaktion. Was ist bloß mit ihm los? Diese männliche Sexbombe läuft neben mir in seinem weißen Anzug und dem schwarzen T-Shirt her und verhält sich wie der Bruder, den ich nicht habe. Da kann ich auch gleich ins Bett gehen und schlafen. Als ich Philippe dies vorschlage, willigt er sofort ein. Zum ersten Mal seit Stunden ist er voll bei der Sache.
Wir holen uns zwei Campari-Orange von der Bar und gehen zum Penthouse. Bis wir dort ankommen, sind unsere Gläser leer. Philippe stützt mich, als ich die Treppe hochhumpele. Oben angekommen verschwindet er sofort im Bad und legt sich danach mit seinem Smart Phone ins Bett.
Als ich mit geputzten Zähnen aus dem Bad komme, ist er bereits eingeschlafen. Ein leises Röcheln dringt aus seinem halb geöffneten Mund.
Enttäuscht lege ich mich auf meine Seite des Bettes. Doch dann überlege ich es mir anders. Leise stehe ich wieder auf, schleiche um das Bett herum und nehme mir Philippes Smart Phone. Nie zuvor habe ich in seinen Sachen herumgeschnüffelt, obwohl ich dazu reichlich Gelegenheit hatte. Mit einem Blick auf Philippe vergewissere ich mich, dass er tatsächlich schläft, dann schlüpfe ich durch die mal wieder offen stehende Terrassentür in die milde Nacht. Ich bin noch kein bisschen müde und interessiere mich brennend für Philippes letzte Anrufe.
Als ich es mir gerade auf der Hollywoodschaukel gemütlich gemacht habe, vibriert das Handy. Eine SMS. Da ich zu Hause dasselbe Handymodell habe, weiß ich sofort, welche Tasten ich drücken muss, um den Inhalt der SMS zu lesen. Besser für mein Wohlbefinden wäre es allerdings gewesen, wenn ich meine Finger von dem Handy gelassen hätte. Die Nachricht kommt von einer gewissen Isabel. Mit zitternden Fingern öffne ich die SMS.
„23 Uhr, am Kanuverleih.“
Mit einem Mal habe ich das Gefühl, jemand schnüre mir die Kehle ab. Sind die Spanier also doch nicht abgereist. Sie sind bloß untergetaucht. Vermutlich hat das Miststück das arrangiert. Das darf nicht wahr sein, dass
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