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Im Bann der Leidenschaften

Im Bann der Leidenschaften

Titel: Im Bann der Leidenschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Nimou
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Mutter heftig. „Sehr schnell.“
    Was soll denn das heißen? Sie verrät es mir, ohne dass ich sie dazu auffordern muss.
    „Na ja, es gibt da dieses Sprichwort: Darum prüfe gut, wer sich ewig bindet.“
    Sie hält unsere Hochzeit für übereilt. Ich seit heute auch. Aber muss sie damit ausgerechnet jetzt ankommen? Habe ich nicht schon genug Mist um die Ohren? Ich brauche Zuversicht, nicht noch mehr Zweifel.
    „Aber, meine Liebe“, sie legt ihren Arm um meine Schultern und zieht mich an sich ran, „das ist die Ungeduld der Jugend. Wer hätte sich nicht mindestens einmal in seinem Leben in ein Abenteuer gestürzt?“ Sie gibt mir einen dicken Schmatz auf die Wange.
    Ja, Mama, denke ich, es kommt allerdings ganz auf die Art des Abenteuers an.

    Als der Bus vor dem Hotel hält, in dem meine Familie die folgenden beiden Nächte verbringen wird, geht ein Raunen durch meine Verwandten. Das ist allerdings kein Wunder, denn die Hotels, in denen meine Familie absteigt, sofern sie überhaupt verreist, ähneln grundsätzlich der 22-Betten-Burg, die meine Eltern betreiben. Das Sept Roses dagegen ist ein weißer Sandstein-Prachtbau aus dem sechzehnten Jahrhundert mit einem Garten davor und dahinter, der einem selbst im Herbst den Atem verschlägt. Besonders jetzt, wo die Blätter auf den Bäumen diese Rottöne angenommen haben.
    „Was bedeutet denn Sept Roses?“, will Papa wissen, während er das riesige, stuckverzierte Hotel mit seinen Augen taxiert. „Sieben Sterne?“
    „Sieben Rosen, Dummerchen!“, lacht meine Mutter. Anscheinend hat sie sich informiert, denn, so wie ich sie kenne, spricht sie genau so wenig Französisch wie mein Vater. „Stern heißt Etoîle. Dieses Hotel hat fünf Sterne. Fünf Sterne de Luxe sogar. Und die Rosen blühen vermutlich nur im Sommer. Oder haben sie hier gar keine echten Rosen, sondern nur Rosen aus Beton?“ Meine Mutter zeigt auf die in Stein gemeißelten Rosen, die die Fassade verzieren.
    „Das sieht nicht aus wie ein Hotel“, brummt mein Vater, als er aus dem Bus steigt.
    „Nein“, flötet eine meiner puderfrisurigen Tanten. „Das sieht aus wie ein Schloss.“
    „Wer soll das bloß alles bezahlen?“
    „Herb!“, ermahnt Mama meinem Vater.
    „Ist doch wahr“, knurrt er. „Warum heiratet sie nicht, wie es sich gehört, bei uns im Hotel? Und der Brautvater zahlt.“
    Es nagt an meinem Vater, dass er nur einen Teil der Hochzeit seiner Tochter finanziert, und zwar den kleineren. Armer Papa. Ich hake mich bei ihm unter und strahle ihn an.
    „Dad, sei froh über all das gesparte Geld und gönn dir und Mom eine Kreuzfahrt“, schlage ich vor. Ich ziehe ihn in die Lobby, wohin er mir willig folgt, obwohl sich die Falten auf seiner Stirn noch tiefer eingraben.
    „Was für ein Protz“, murmelt er vor sich hin.
    Meint er die Lobby ober Philippe? Trotzdem muss ich lachen. Das ist mein Vater. Was er nicht selber bezahlen kann, ist nichts. „Zwei Nächte hältst du es sicher hier aus“, rede ich auf ihn ein, „tu’s mir zuliebe, Papa, ja?“ Ich drücke ihm einen Kuss auf seine stoppelige Wange und betrachte liebevoll sein rundes Gesicht, das in den fast drei Monaten, die wir uns nicht gesehen haben, wieder ein paar Falten dazu gewonnen hat.
    Ein wenig zerknirscht sieht er mich an, aber in seinen Augen liegt jetzt endlich ein warmes Lächeln.
    Da in der Lobby bereits drei Leute vom Hochzeitsservice meine Familie empfangen, habe ich nichts weiter zu tun, als auf meine Eltern zu warten. Als die Eltern der Braut checken sie zuerst ein. Währenddessen schlendere ich durch die totschicke Lobby, die mich mit all den großen Gemälden an den Wänden ein wenig an die Säle im Louvre erinnert. Noch vor wenigen Wochen hätte ich ähnlich gestaunt wie mein Vater, wenngleich ich mich nicht beschwert hätte, wenn ich hier übernachten müsste.
    Vor einer breiten Tafel mit Fotos von den leitenden Angestellten des Hotels bleibe ich stehen – und erschrecke zutiefst, als ich den Mann auf dem obersten Foto erkenne. Es ist Jerôme. Jerôme in einem dunklen Anzug, mit Hemd und Krawatte. Jerôme Chabrol, Inhaber. Zumindest in diesem Punkt hat Jerôme also die Wahrheit gesagt. In dem Moment legt mir jemand eine Hand auf die Schulter.
    „Madame Salinger.“
    Ich fahre herum. Und sehe direkt in ein Paar schwarze Augen.
    „Woher wissen Sie, dass ich hier bin?“, entfährt es mir. Angesichts der Umgebung verfalle ich in das förmliche Sie. Meine Stimme ist kraftlos, ich zittere am ganzen Leib.

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