Im Bann der Leidenschaften
zweimal war ich vollkommen begeistert von der Art, wie Camille es schafft, meine ehemals stumpfe, immer leicht filzige, krause Lockenmähne in eine glänzende Pracht aus dicken, aufspringenden Locken zu verwandeln. Camille und ihre Coiffeurinnen sind schlicht und ergreifend Künstlerinnen.
Die elegante und für mich altersmäßig nicht einzuschätzende, wunderschöne Camille persönlich schließt uns auf. „Annie, ma Chère! Du bist schon jetzt eine wunderschöne Braut! Du siehst so glücklich aus! Gar nicht aufgeregt. Wie wunderbar! Ich weiß nicht, was ich an dir noch verbessern soll.“
Die gute Camille!
„Guten Morgen, Camille!“ Wir umarmen uns herzlich. Camille sieht nicht nur aus wie eine Lady, sie ist auch ein absoluter Schatz. Ich bin froh, dass sie meine Brautfrisur übernimmt. Aber auch die anderen drei Frauen, die sich gerade Kittel überziehen und sich über die Haare von Jane, Mary-Beth und Mel hermachen werden, sind absolut großartig.
Nachdem Camille auch meine Freundinnen begrüßt hat, nehmen wir auf den bequemen, roten Lederrollstühlen Platz. Alles in diesem Salon ist modern und luftig. Aus dem Spiegel strahlt mir eine junge, entspannte Frau mit rosigen Wangen entgegen. Die Nacht mit Philippe hat mir gut getan. Die Anspannung der vergangenen beiden Tage und Nächte ist von mir abgefallen. Wer ist Jerôme? Jetzt ist er in der Tat nur noch ein blasser Erinnerungsfetzen. Allerdings keiner, bei dem ich mich fühle wie eine Liebesgöttin. Es fällt mir jedoch leicht, die Erinnerung in die hinterste Ecke meines Gehirns zu schieben.
„Wir haben eine Stunde, Mädels“, gibt Camille ihren drei top gepflegten Angestellten und sich selbst den Startschuss zu der Meisterleistung, die die Vier gleich aufs Parkett legen werden.
Frisierumhänge flattern und legen sich um meine und die Schultern meiner Freundinnen. Plötzlich erklingt Blow me von Pink aus allen Lautsprechern und die vier Coiffeurinnen ziehen ihre Kundinnen auf Kommando gleichzeitig an die Reihe aus breiten, geschwungenen Haarwaschbecken. Jane und Mel kreischen vor Vergnügen. Mary-Beth und ihre kleine Coiffeurin, deren Haar ebenso lang ist wie das meiner zierlichen Freundin, schmettern mit Pink um die Wette. Die Stimmung könnte nicht besser sein.
Warmes Wasser fließt in der perfekten Temperatur über meinen Kopf. Camilles Hände führen eine begnadete Massage auf meiner Kopfhaut durch. Ich bin hellwach. Mein Shampoo duftet intensiv nach Orange, wie ich es mir gewünscht habe. Camille wiederholt die Prozedur aus Einschäumen, Massieren und Ausspülen zweimal, bevor sie mir eine Lotion in die Haare knetet und ein warmes Handtuch um den Kopf schlingt. Ich fühle mich wie im Paradies, gehätschelt und gepampert.
Camille schiebt mich zurück vor meinen Spiegel und schnappt sich den Fön, der dem Gebläse in einer Fallschirmspringerübungshalle gleicht. Camille fönt und knetet. Sie weiß hundertprozentig, was sie tut, denn sie hat selbst Locken. Binnen kurzer Zeit ist mein dickes Haar trocken, ohne dass sich auch nur eine Strähne verknotet. Wenn jetzt ein Fotograf käme, bräuchte er nur auf den Auslöser seiner Kamera zu drücken und das Foto für die Sommerfrisur des Jahres wäre perfekt. Doch die wunderbare Camille ist noch nicht fertig mit mir. Sie klemmt die Haare mit einer großen Klemme auf meinem Kopf zusammen, nimmt dann erst die Haare, die seitlich meines Gesichts herunterfallen, und steckt sie mit flachen Klammern am Hinterkopf fest. Danach löst sie die Klemme auf meinem Kopf, und führt die Haare über meiner Stirn locker nach hinten, um auch sie dort unsichtbar festzustecken. Als alle Strähnen festgesteckt sind, befestigt sie meinen Scheier am oben am Hinterkopf. Zum Schluss zupft sie einige Strähnen vor Stirn und Schläfen.
„Plätteisen, Lockenstab“, lächelt Camille, „alles unnötig bei dir.“ Sie holt einen breiten, ovalen Spiegel und hält ihn hinter meinen Kopf. Die dicken blonden Locken rieseln mir wie eine Kaskade unter dem transparenten Schleier über den Nacken. Es sieht wunderschön aus, obwohl die Arbeit sich in Grenzen hielt. Ich bin absolut begeistert.
Meine Freundinnen sind noch nicht ganz fertig. Mel sieht aus wie eine Außerirdische. Über ihr in Alufolie gewickeltes Haupt sitzt ein Ding, das aus tausend Krakenarmen zu bestehen scheint. Mels Coiffeurin ist der Überzeugung, dass es für Mels Haare ein weitaus besseres Rot gibt, als das, was sie sich selbst zur Bridal Shower verpasst hat.
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