Im Bann der Liebe
oder mit Mrs. Butterfield, ihrer strengen Arbeitgeberin, teilen wollen. Doch bei dieser schlichten Frau fiel es ihr leicht, ihre Vorsicht aufzugeben. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nie Mann und Kind gehabt.«
»Wollen Sie hier bleiben?«, wollte Maisie wissen und sah Susannah offen an. Es war warm in der Küche, und die Fenster beschlugen. »Das Baby braucht Sie. Mr. Fairgrieve hat das Kind gern, egal, was er andere glauben machen will, aber er ist ein Mann, und Männer wissen nicht, wie man Kinder erzieht.«
»Ich bin nach Seattle gekommen, um mich um das Baby zu kümmern, und ich habe vor, hier zu bleiben«, erklärte Susannah bestimmt.
»Und Mr. Fairgrieve?«
»Was ist mit ihm?«, fragte Susannah vorsichtig zurück.
»Er ist ein guter Mann, Miss. Wenn er unterwegs ist, kann er sehr gut auf sich selber aufpassen, aber wenn er nach Hause kommt, braucht er jemanden, der hier auf ihn wartet. Wissen Sie, er hat das Haus hier nicht für sich allein gebaut. Ich schätze, er ist mächtig einsam. Und es gibt so viele Zimmer hier, weil er hoffte, sie alle mit Kindern zu füllen.«
Susannah hoffte, dass man ihr Erröten nicht sah. »Ich bin mir sicher, dass es viele Frauen gibt, die einen so attraktiven - so reichen Mann gerne heiraten würden«, erwiderte sie unsicher.
»Nicht hier draußen«, gab Maisie zurück. »Oh, hier gibt es leichte Mädchen - aber es heißt, bei denen ist er nie. Er hat eine feine Dame unten im Pacific Hotel. Aber eine Geliebte ist nicht dasselbe wie eine Frau. Ganz und gar nicht.«
Es verletzte Susannah sehr - um Julias willen natürlich - zu hören, dass Aubrey Fairgrieve eine solche Frau aushielt. Warum erzählte Maisie ihr das? »Vielleicht gehört er zu der Sorte, die beides haben will«, sagte sie bestimmt, »Frau und Geliebte.«
Aber Maisie lachte nur laut. »Er gehört zu der Sorte, die eine Frau haben will. Das ist ja auch normal. Aber er hat sein Eheversprechen nie gebrochen, ehe Mrs. Fairgrieve ihm ihr Bett verboten hat.«
Hierauf konnte Susannah nichts erwidern. Sie wusste nichts darüber, was normal oder unnormal war. Verlegen biss sie sieh auf die Unterlippe und senkte die Stimme.
»Warum sagen Sie so etwas?«
»Ich denke, damit Sie die Situation verstehen. Mr. Fairgrieve ist nicht besser und nicht schlechter als andere, und die Missus war es auch nicht. Sie kennen die eine Seite von ihr, und er kennt die andere.«
»Es ist kaum nötig für mich, dass ich Mr. Fairgrieve verstehe, und Julia kenne ich besser als jeder sonst.« Aber stimmte das auch? Susannah wusste sehr wohl, dass die Menschen viele Gesichter hatten und nicht immer alle zeigten.
»Nun, nun, werden Sie nicht empfindlich«, begütigte Maisie. »Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Mehr will ich ja gar nicht sagen.«
Susannah nickte. »Es tut mir Leid. Es ist nur so ... dass Julia mir furchtbar unglücklich schien.«
»Und Sie denken, dass Mr. Fairgrieve schuld daran war?«
Sie zögerte und nickte dann wieder. Etwas an der Frau und der gemütlichen Küche gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. »Ich habe gehört«, begann sie errötend und unterbrach sich dann, »ich habe gehört, dass das, was Mann und Frau miteinander tun, furchtbar wehtut. Vielleicht konnte Julia es einfach nicht mehr aushalten.«
Mit einer Art mitleidigem Humor sah Maisie Susannah an. Sie goss ihnen Tee ein. »Es geht schon ein bisschen wild zu«, sagte sie dann, »aber die Frauen schreien dabei nicht, weil sie Schmerzen haben - nicht bei einem Mann wie Mr. Fairgrieve.«
Susannah war fasziniert und spürte, wie ihre Augen groß wurden. »Sie ... Julia hat geschrien?«
»Ich glaube, wir sollten ein paar Geheimnisse miteinander austauschen«, schlug Maisie augenzwinkernd vor.
Auch wenn Mrs. Butterfield Susannah als Gesellschafterin eingestellt hatte, hatte sie in der Tat als Haushälterin und Köchin bei ihr gearbeitet. Das Staubwischen, Bettenmachen und Kochen war eine willkommene Abwechslung gewesen. So machte sie sich mit Maisie an die Hausarbeit.
Als die Arbeit erledigt war, ging Susannah in ihr Zimmer zu der immer noch schlafenden Victoria zurück. Normalerweise achtete sie wenig auf ihr Äußeres, war jedoch erfreut, als sie einen Blick im Spiegel erhaschte und sah, wie silbrigblond ihr Haar schimmerte, wie ihre grauen Augen strahlten und wie schlank sie war.
Nein, sie war nicht so schön, wie Julia es gewesen war, aber sie war jemand, den man gerne ansah, und jemand, der seine Wertvorstellungen
Weitere Kostenlose Bücher