Im Bann der Lilie (Complete Edition)
Schiff hatte nur leichten Schaden davon getragen, obwohl sie unter Beschuss stand.
Die CULLODEN kam bei Tageslicht endlich frei, um den Preis des Verlustes ihres Ruders und erheblicher Schäden am Rumpf. Kapitän Troubridge segelte auch später noch auf volles Risiko und setzte die CULLODENausgerechnet dann erneut auf Sand, als einer der überlebenden französischen Schiffe vom Nil gejagt wurde. Die meisten der britischen Schiffe erlitten schwere Beschädigungen. Wie große Tiere waren sie nun dabei, ihre Wunden zu pflegen und zu versorgen. Aus aufgefischten Wrackteilen und einem schwer beschädigten und aufgegebenen Schiff wurden überall Ersatzteile zusammen gezimmert, während die Schiffsärzte und ihre Helfer die schwer verwundeten Soldaten in ihre Obhut nahmen. Die Briten hatten Hunderte von Verletzten zu beklagen, dagegen beliefen sich die Verluste auf französischer Seite auf mehrere tausend Mann. Auf offener See wäre diese Schlacht vielleicht ganz anders ausgegangen?
Während nach dem Sieg der Engländer über die französische Flotte alle Beteiligten damit beschäftigt waren, Menschen, Fässer und Fracht aus der See zu ziehen, sorgte sich Marcel unten im Frachtraum um seinen Freundes Silvio. Der Vampir erspürte die Aufregung und Angst während des Schlachtgetümmels in seinem jungen Gefährten, aber er wusste gleichzeitig, dass dieser zumindest körperlich wohlauf war. Zur gleichen Zeit dümpelte eine große Kiste auf die Sandbank zu, auf der die CULLODEN immer noch festsaß und auf Hilfe wartete.
Julien de Montespan starrte Napoleon ungläubig an. Verlangte dieser wirklich von ihm, die schwankenden Planken eines Schiffes zu betreten und ihn auf einer monatelangen Reise zu begleiten? Noch dazu in ein Land, in dem die Sonne fast ununterbrochen schien? Das war wirklich mehr, als man von jedem Vampir erwarten konnte! Aber wie sollte er seine beharrliche Ablehnung begründen? Eine einfache Seekrankheit würde der General nicht gelten lassen!
Bonaparte hatte sich bereits gedacht, dass sein seltsamer Leibarzt, der immer nur nach Einbruch der Dunkelheit auftauchte, um seine Tätigkeit im Lazarett und auf dem Schlachtfeld zu verrichten, es ablehnen würde, ihn auf seiner Ägypten-Expedition zu begleiten. Entdeckte er da so etwas wie Furcht in dessen kobaltblauen Augen? Aber er hatte vorgesorgt.
Mit einem hintergründigen Lächeln startete er einen letzten Versuch, den Widerstrebenden zu überzeugen. „Mein lieber Julien, ich muss Euch nochmals auf Eure Verpflichtung hinweisen, meiner Armee und mir für drei Jahre treu zu dienen, und diese Zeit ist noch nicht um.“
„Mon général, das habe ich bereits getan und das will ich auch gerne weiterhin tun, aber bitte verlangt nicht von mir, das Deck eines Schiffes zu betreten. Außerdem vertrage ich weder Sonne noch Hitze. Mein eigener angeschlagener Gesundheitszustand erfordert die Ruhe der Nacht.“
Das war zumindest eine Erklärung für seine nächtliche Tätigkeit. Bonaparte wandte sich ab und begann, in gewohnter Manier mit hinter dem Rücken verschränkten Händen auf und ab zu laufen. Nach einer Weile erwiderte er in einem milden, fast väterlichen Ton: „Es wird Euch aber gar nichts anderes übrigbleiben, mein lieber Julien, denn Eure Belohnung ist bereits nach Alexandria unterwegs. Sie erwartet Euch nach meinem erfolgreichen Feldzug.“
Offenbar besaß Napoleon einen unerschütterlichen Glauben an seinen Sieg über das Osmanische Reich. Außer seinem Heer würden einhundertfünfzig Forscher und Wissenschaftler den Feldzug begleiten. Julien verstand nicht, warum der Soldatenführer so sehr auf seiner Anwesenheit beharrte. Dennoch stand fest: Bonaparte hatte ihn überlistet! Dem Marquis wurde klar, dass diesen zähen Korsen nichts und niemand aufhalten konnte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Das Bildnis, das er Julien für seine Dienstjahre versprochen hatte, befand sich demnach bereits auf hoher See. Er würde es nie wieder sehen, wenn er sich weiterhin weigerte. Der Marquis spürte den lauernden Blick des Generals auf sich ruhen. Er lenkte ein.
„Nun gut, wenn Euch so viel an meiner Gesellschaft liegt, so lasst mich zumindest meine Bedingungen stellen: Ich erbitte eine Kajüte für mich ganz persönlich, die niemand außer mir betreten darf. Meine Tätigkeit als Arzt werde ich weiterhin des Nachts ausüben. Erwartet also nicht, dass ich den Verwundeten im Falle einer Schlacht tagsüber Pflege angedeihen lassen werde. Außerdem
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