Im Bann der Lilie (Complete Edition)
Schlacht bei Kräften bleiben. Wenn eines der lebenden Tiere an Bord geschlachtet wurde, so brachte Silvio dessen Blut in einem Holzeimer hinunter zu Marcel, aber auf die Dauer würde das nicht ausreichen. Das Verschwinden eines Matrosen wäre zu auffällig gewesen und hätte eine langwierige Untersuchung nach sich gezogen. An Bord einer Kriegsfregatte hatte jeder Einzelne eine ganz bestimmte Aufgabe. Aber dann kam das Fieber und damit eine günstige Gelegenheit für den schönen Todesengel im Bauch des Schiffes.
Kapitän Troubridge hatte bereits fünf Männer verloren und die Krankheit griff weiter um sich. Der Schiffsarzt, Doktor Hollows, konnte nichts tun, als den Erkrankten immer wieder einen Extrakt Wasser und Chinarinde einzuflößen. Vorsichtshalber ließ Troubridge die Quarantäneflagge hissen, als der Krankenstand seinen Höhepunkt erreichte und kein Tag verging, ohne dass man einen Seemann in eine Plane gehüllt über die Reling in sein nasses Grab schickte. Dass einige davon merkwürdige einstichartige Stellen am Körper aufwiesen, war nichts Ungewöhnliches. Auf Schiffen fielen hungrige Ratten oft über die Schlafenden her, wenn sie nichts Essbares finden konnten. Die CULLODEN fuhr mittlerweile als letztes Schiff der Nelson Armada auf die ägyptische Küste zu.
Am ersten August 1798 um etwa zehn Uhr Ortszeit sichteten die Briten Alexandria, und Admiral Nelson ließ seine Linienschiffe zur Aufklärung ausschwärmen, um nach der feindlichen Flotte Ausschau zu halten, wodurch sein Schiffsverband auf eine Länge von zwölf Meilen gestreckt wurde. Kurz zwölf Uhr berichteten die Schiffe ALEXANDER und SWIFTSURE, dass die Franzosen wohl in Ägypten gelandet seinen, da der Hafen von Alexandria voller Transport und Versorgungsschiffe wäre. Die französische Kriegsflotte konnten die Engländer jedoch noch nicht ausmachen. Aber dann sichteten die ZEALOUS und später die ORION die in der Bucht ankernde Flotte unter dem Kommando von Admiral Brueys d’Aigalliers.
Dieser hatte mit den Briten gar nicht mehr gerechnet und wurde überrascht, als von Bord der HEUREUX die Masten der englischen Armada gesichtet wurden. Viele der französischen Seeleute befanden sich noch an Land und waren auf der Suche nach Verpflegung, Wasser oder erfüllten andere Aufgaben für das Expeditionsheer Napoleons. Sofort beorderte der französische Kommandant alles, was Beine hatte, an Bord zurück und forderte zusätzlich Hilfe von den Fregatten an, bevor die Sonne unterging. Er rechnete offensichtlich mit einem Gefecht, obwohl er wie auch seine Offiziere der Meinung war, dass Nelson nachts nicht angreifen würde. In knapp vier Stunden würde die Sonne untergehen! Bald drängte sich außer den Besatzungsmitgliedern ein buntes Häuflein frankophiler Abenteurer an Bord, die sich später den Schiffskanonen der Engländer stellen mussten. Um fünfzehn Uhr gab Admiral Nelson das Signal, Kurs auf die Bucht von Abukir zu nehmen und um siebzehn Uhr – bei Sonnenuntergang – begann sein Angriff und das bei voller Fahrt in einem mit Untiefen gespickten Gewässer. Alexandria war eine Mausefalle für die Franzosen, und das wusste der Admiral sehr wohl.
Ein erbittertes Gefecht begann: Bald war die Luft geschwängert vom Geruch des Schwarzpulvers und erfüllt vom ohrenbetäubenden Donner der Kanonen, dem hoch aufspritzenden Wasser bei Fehlschüssen oder dem Bersten von Holz bei einem Treffer. Wie brüllende Ungeheuer lagen die Schlachtschiffe miteinander im unerbittlichen Zweikampf und feuerten in unmittelbarer Nähe Breitseite auf Breitseite aufeinander. Dadurch war ihre Manövrierfähigkeit stark beeinträchtigt.
Kapitän Thomas Troubridge mit der CULLODEN hatte in der englischen Linie vor Alexandria weitab gestanden. Er konnte es nicht erwarten, an den Feind zu kommen, nahm das Risiko und einen kritischen Kurs ... und schaffte die Einfahrt in die Bucht von Abukir nicht: Er lief als einziges britisches Schiff – um etwa achtzehn Uhr vierzig – auf Grund. Ein tragisches Schicksal für einen Mann, der mit seinem Schiff ein Jahr zuvor die ersten Salven bei der Schlacht von St. Vincent abgegeben hatte. Die MUTINE und die LEANDER kamen zwar zu seiner Hilfe, konnten sein Schiff jedoch nicht befreien. Für die nachfolgenden Schiffe ALEXANDER und SWIFTSUREwar die CULLODEN immerhin eine gute Boje – ein eher schwacher Trost für ihren Kapitän. Aber die Rettung für Silvio und Marcel, die unten im Laderaum dem Seegefecht nur akustisch folgen konnten. Ihr
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