Im Bann der Sinne
glauben?"
„Unerhört." Sie versuchte, den lockeren Plauderton zu genießen und die schreckliche Wahrheit zu vergessen.
„Wie fühlst du dich?", fragte er.
Jasmine nahm an, er bezog sich auf ihren Streit. „Es ist ein schöner Tag. Ein Tag zum Glücklichsein."
Tariq schmunzelte. „Ich meinte deinen süßen Po."
Jasmine stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. „Benimm dich."
Die Zeit des Frostes war vorüber, doch das Glück, das Jasmine empfand, war bittersüß. Es würde keinen Schmerz und keinen Streit mehr geben an diesem wundervollen Tag. Sie würde so tun, als wäre alles in Ordnung und als würde der Mann, der sie so sorgfältig festhielt, sie tatsächlich lieben.
Am Abend war Jasmine jedoch viel zu erschöpft, um weiter so zu tun, als sei alles in Ordnung. „Wärst du einverstanden, wenn ich mich heute früher zurückziehe?", fragte sie Tariq. Der Schein des Lagerfeuers, der am Abend zuvor so malerisch gewirkt hatte, reizte ihre ausgetrockneten Augen heute.
Tariq blickte über die Schulter. „Du möchtest nicht länger hierbleiben?" Sein Ton war leicht tadelnd.
„Ich bin schrecklich müde. Das alles ist neu für mich", sagte sie und verbarg damit eine Wahrheit hinter der anderen."
Tariq drückte sie an sich. Jasmine war überrascht. Er berührte sie kaum, wenn sie nicht allein waren. Sie hatte es bis jetzt nicht gewagt, ihn zu fragen, ob er es nicht wollte oder glaubte, es nicht mit seiner Position als Scheich vereinbaren zu können.
„Verzeih mir, Mina. Du beklagst dich nie, deshalb vergesse ich immer wieder, wie hart diese Reise für dich sein muss." Seine Worte waren wie eine Liebkosung.
Jasmine legte den Kopf an seine Schulter und spürte, wie ein Teil des Schmerzes in ihrem Innersten sich in Nichts auflöste. Tariq hielt sie im Arm, als würde sie ihm tatsächlich etwas bedeuten. „Erwartet man, dass ich bleibe, weil ich deine Frau bin?"
Er drückte sie noch fester an sich. „Dass du so intelligent bist, ist einer der Gründe, weshalb du meine Frau bist", murmelte er. „Die Menschen in meinem Land vergleichen Fremde stets mit sich selbst. Es ist nicht fair, hat aber vielleicht auch einen Sinn. Wir vertrauen Fremden nicht so leicht." Das hatte Jasmine schon bei ihrer allerersten Begegnung gespürt.
„Sie haben dich akzeptiert, weil ich dich zu meiner Frau gemacht habe", fuhr er fort.
„Und man wird dir gehorchen. Aber wie sehr man dich tatsächlich respektieren wird, wird von vielen Dingen abhängen, unter anderem davon, wie gut du mit Land und Klima fertigwirst."
Was er nicht sagte, verstand sie auch ohne Worte, nämlich dass seine Ehre jetzt untrennbar mit ihrer verbunden war. Eine zerbrechliche Verbindung, aber immerhin etwas. „Dann bleibe ich. Kannst du mich weiter im Arm halten?"
Er strich ihr mit der freien Hand über die Wange, und sie hoffte, dass er stolz auf sie war. Verstohlen betrachtete sie sein Gesicht im Schein des Feuers. Was für ein schöner Mann, schön und gefährlich. Ob sie jemals einen Weg zu seinem Herzen finden würde?
6. KAPITEL
Am Morgen des vierten Tages erreichten sie die kleine Industriestadt Zeina.
Sämtliche Gebäude, obwohl aus Stahl und Beton erbaut, fügten sich optisch perfekt in die Umgebung ein. Zu Jasmines Überraschung ritten sie jedoch durch die Stadt hindurch und noch ein gutes Stück weiter in die Wüste hinein, wo sich eine Ansammlung bunter Zelte befand.
„Willkommen in Zeina", raunte Tariq ihr ins Ohr.
„Ich dachte, was hinter uns hegt, ist Zeina." Sie wies mit dem Kopf auf die Stadt hinter ihnen.
„Das ist nur ein Teil davon. Hier liegt das eigentlich Herz der Stadt."
„Keine Häuser, nur Zelte", bemerkte sie.
„Arin und sein Volk haben es lieber so. Da alle damit zufrieden sind, liegt es nicht an mir, das infrage zu stellen. Übrigens, sie mögen ein bisschen altmodisch sein, aber sie gehen auch mit der Zeit. Siehst du die hellblauen Zelte dort drüben?"
„Es sind ziemlich viele."
„Sie sehen genauso aus wie die anderen, aber schau einmal genau hin."
Jasmine blinzelte. „Sie bewegen sich nicht im Wind! Woraus bestehen sie? Aus Plastik?"
„Ein äußerst widerstandsfähiger Kunststoff, den unsere Ingenieure entwickelt haben. Jedes von ihnen enthält sanitäre Einrichtungen, die von jeweils vier einander nahestehenden Familien benutzt werden."
„Wie praktisch." Jasmine war beeindruckt. Was für eine geniale Art, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden.
„Das ist typisch Arin."
Wenige Minuten
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