Im Bann der Sinne
herauszufinden?", fragte er schließlich.
„Ja, ich habe ein paar Nachforschungen über meine Abstammung angestellt." Unsicher berührte sie ihre pechschwarzen, glatten Haare. „Ich meine, die Abstammung meiner Mutter."
„Das sind auch deine Wurzeln. Das kann dir keiner nehmen, egal, wo du aufgewachsen bist."
„Du weißt, meine Mutter war Lakota Sioux", sagte sie. „Ich wusste es nicht mehr, aber Walker."
Als Alexandre sie nicht unterbrach, fuhr sie fort: „Als ich fünfzehn war, beschloss ich, Spencer danach zu fragen. Er sagte, meine Mutter stammte aus einem Reservat in South Dakota." Seine genaue Wortwahl war gewesen „irgendein unbedeutendes Reservat in South Dakota" - herabsetzend, aber ausnahmsweise einmal nicht bösartig.
„Hast du das Reservat ausfindig gemacht?"
„Es gibt ein wirklich großes Reservat namens Pine Ridge - es liegt in South Dakota, grenzt an Nebraska. Die Menschen dort sind Teil der Oglala-Lakota-Nation." Sie holte kurz Luft. „Ich glaube, meine Mutter lebte im Pine-Ridge-Reservat. Spencer ist in Nebraska geboren und aufgewachsen. Deshalb glaube ich, auch mein Vater hat seine Jugend dort verbracht - nah genug an dem Reservat also, um meiner Mutter zu begegnen."
Als sie zu Alexandre aufblickte, nickte er. „Oui, das wäre eine logische Schlussfolgerung. Weißt du, wo deine Eltern nach der Hochzeit gewohnt haben?"
„Nein. Walker kann sich erinnern, dass es eine Farm war, doch er weiß den Namen der Stadt nicht mehr. Und von Spencer haben wir nur erfahren, dass es ein Kaff irgendwo mitten in Nebraska war - er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich an den Namen zu erinnern."
Sie war sicher, dass Spencer ganz genau wusste, wo die Farm ihrer Eltern gelegen hatte. Vielleicht hatte er Angst, dass sie seinen Lügen auf die Schliche kam.
„Du hast ein Recht darauf zu erfahren, woher du kommst." Etwas in Alexandres Stimme sagte ihr, dass er sie weit besser verstand, als sie sich hatte vorstellen können. „Ich würde dir gern bei den Nachforschungen helfen."
Charlotte sah ihn aus ihren großen Augen freudig an. „Niemand hat mir bisher geglaubt", flüsterte sie. „Niemand hat mir auch nur zugehört." Sie schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an seine Schulter.
Er hielt sie fest umschlungen und war sich plötzlich ihrer Verletzlichkeit bewusst.
„Ach, Charlotte", murmelte er und streichelte ihren Rücken. Um sie zu trösten, flüsterte er ihr leise Worte in seiner Muttersprache ins Ohr.
Sie entspannte sich. „Ich dachte, ich kann vielleicht etwas über die ... Sterbeurkunde herausfinden."
„Natürlich. Hast du schon eine Kopie angefordert?"
„Nein", erwiderte sie verschämt. „Ich hatte Angst, mich zu irren. In einer Hinsicht hat Walker recht - ich möchte mir nicht eingestehen, dass wir wirklich alles verloren haben." Ihre Augen glänzten feucht. „Ich will nicht, dass sie tot ist."
Ihr Kummer betrübte ihn sehr. Ihm war es so wichtig geworden, Charlotte glücklich zu machen. Anders als bei anderen Frauen, waren ihre Gefühle echt, ihr Lachen genauso ehrlich wie ihr Weinen.
Er zog sie noch enger an sich, hauchte sanfte Küsse auf ihre Lippen, ihre Wangen und ihr trotziges kleines Kinn. Als er die Hände bewegte, fiel ihr offenes Haar über seinen Arm. „Aber", sagte er gegen ihre Lippen, „in der Ungewissheit zu leben, schmerzt mehr als die Wahrheit." Er glaubte daran, obwohl die Wahrheit, die er als Kind hatte lernen müssen, ihn unglaublich verletzt hatte.
„Wahrscheinlich hast du recht."
„Ich bin bei dir, wenn du mich brauchst." Obwohl er alles für sie tun wollte und am liebsten die Wahrheit vor ihr herausgefunden hätte, verstand er ihr Bedürfnis, diese Sache allein zu beenden.
Es war schon spät am Abend, als Charlotte auffiel, dass Alexandre ihre Frage nach dem Grund für seine eigene Traurigkeit nicht beantwortet hatte. Sie selbst war emotional so durcheinander gewesen, dass sie nicht weiter gebohrt hatte. Doch das würde sie beim nächsten Treffen nachholen.
Alexandre war ein außergewöhnlicher Mann, und sie wollte alles von ihm wissen. Es war wundervoll, einen Menschen zu haben, der an sie glaubte. Am meisten rührte sie aber, dass er sie ermutigte, die Wahrheit herauszufinden. Egal, wie sie aussah.
Statt ihre Behauptungen als unsinnig abzutun oder ihr falsche Hoffnungen zu machen, hatte er einfach eine starke Schulter zum Anlehnen angeboten. Charlotte war überrascht, wie viel ihr das bedeutete. Sie holte tief Luft und
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