Im Bann der Träume
Hilfspiloten-Navigator, einen Ingenieur und seinen Assistenten, einen Raketenfachmann, einen Arzt oder Arztgehilfen, einen Koch und vielleicht noch einen Hilfslademeister. Aber das war eine vollständige Mannschaft, nicht die für ein Schiff der Randräume. Sie glaubte, daß außer Jagan auf dem Schiff nur noch vier weitere Mann gewesen sein konnten.
Sie mußte überlegen und ihre Informationen sortieren und einordnen, bevor sie handelte. Ander Nordholm war ein systematischer Denker gewesen, und seine Schulung wirkte bei seiner Tochter weiter. Charis zog den Sitz heraus, faltete die Hände auf dem Tisch und machte sich daran, nach der Art ihres Vaters ihr Problem zu analysieren.
Wenn sie nur mehr über Jagan gewußt hätte! Für einen Tramp der Außenräume war der Erfolg alles; die Eröffnung einer Niederlassung auf einem neuentdeckten Planeten war ein riesiger Schritt vorwärts. Aber wie konnte ein so kleiner Mann, der sich immer am Rand der Ehrenhaftigkeit bewegte, die Erlaubnis zu einer solchen Niederlassung erhalten? Oder – dieser Gedanke schoß Charis unwillkürlich durch den Kopf – war er ohne Lizenz hier? Angenommen, er hatte eine Möglichkeit gesehen, hier zu landen und weit entfernt von jeder Regierungsvertretung einen Handel zu beginnen? Stellte ihn dann die Patrouille, dann konnte er bereits Tatsachen vorweisen. Lief der Handel schon, dann bezahlte er eben seine Strafe, und man ließ ihn in Ruhe, denn die örtliche Lage konnte so heikel sein, daß kein Regierungsvertreter es darauf ankommen ließe, den Eingeborenen unter die Nase zu reiben, welche Streitigkeiten und Mißverständnisse es unter den einzelnen Gruppen der Außenweltler gab.
Versäumte es also irgendeine dort ansässig gewordene Regierungsvertretung, einen guten Kontakt mit den Einheimischen herzustellen, dann wurde Jagan nahezu dazu getrieben, nun seinerseits Verbindung aufzunehmen und sie zu festigen. Und dazu brauchte er sie …
Aber warum hatte diese Zusammenkunft in der Wüste einer unbekannten Welt stattgefunden, bei der sie vom Arbeiterhändler an Jagan verschachert worden war? Warum war Jagan dort gewesen? Was war dieser Platz? Hatte Jagan nur die Absicht gehabt, sie – oder eine andere Frau – dort aufzunehmen? War es ein geheimer Treffplatz, wo Schmuggler ihre Ladungen austauschten? Das dürfte jedenfalls zutreffen. Schmuggler arbeiteten an allen Ecken und Enden. Dort war also ein regulärer Zwischenlandeplatz für das Arbeiterschiff, und Jagan war dort gewesen. Hatte er damit gerechnet und darauf gewartet, daß das Arbeiterschiff eine Frau mitbrachte?
Und das hieß, daß sie einem illegalen Händler in die Hände gefallen war. Charis lächelte. Sie hatte dabei noch Glück gehabt, daß dieser Handel abgeschlossen worden war. Irgendwo auf Warlock war eine Regierungsvertretung, die alle Kontakte zwischen Außenweltlern und Eingeborenen überwachte. Wenn sie diese Vertretung erreichen und dort ihre Klage wegen eines illegalen Kontraktes vorbringen konnte, dann war sie frei; auch dann, wenn Jagan ihre Unterschrift und ihren Daumenabdruck gegen sie ins Feld führte.
Vorläufig mußte sie bei Jagans Handelsplänen mittun. Nur – wenn der Kapitän gegen die Zeit zu arbeiten hatte … Charis überlief ein kalter Schauer wie damals, als sie sich in den Hügeln auf Demeter zusammenkauerte. Für Jagan war sie nur ein Werkzeug; und wenn dieses Werkzeug versagte …
Sie riß sich zusammen und kämpfte den in ihr sich zusammenbrauenden Aufruhr nieder, der sie veranlassen wollte, an die Tür zu hämmern und damit in eine Falle zu gehen. Ihre Hände waren schweißfeucht. Ihr Magen krampfte sich in schmerzhafter Angst zusammen.
Und dann vernahm sie Schritte – nicht in ihrer Zelle, sondern außerhalb. Bewegungen. Ein Klopfen, einmal schwer und nachdrücklich, dann wieder leiser und unregelmäßig. Sie strengte ihre Ohren an, damit ihr keines der Geräusche entging. Dann hörte sie das metallene Geräusch von Raumstiefeln auf glattem Boden. Ihre Spannung nahm zu. War man zu ihr unterwegs?
Sie drehte sich um, der Tür zu. Aber sie öffnete sich nicht. Nun vernahm sie ein anderes Geräusch von jenseits der Wand, ein dünnes, tierisches Miauen, das sie noch mehr ängstigte als das Brüllen eines Raubtieres. Eine menschliche Stimme; sehr leise, so daß Charis kein Wort verstehen konnte, sondern nur ein Murmeln hörte.
Und dann waren die Schritte vor ihrer Tür. Charis rührte sich nicht. Sie redete sich ein, sie sei völlig ruhig. Dann
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