Im Bann der Träume
sah, daß dieser Raum leer und das Feldbett unbenutzt war. Im zweiten Raum fand sie mehrere Feldbetten, doch ebenso ohne Schläfer wie im ersten; ein dritter war ebenfalls verlassen. Im vierten sah es dagegen anders aus. Selbst im schwachen Licht des Leuchtbandes erkannte sie an der der Tür gegenüberliegenden Wand den Sichtschirm einer Funkanlage. Davor standen ein Tisch, zwei Stühle mit einer Menge Bandspulen; häßlich, verzerrt …
Sie erstarrte zur Unbeweglichkeit. Ihr war, als habe sie diesen Raum und diese Möbel schon einmal gesehen mit Augen, die alles maßen und alles verwarfen. Aber dieser Eindruck war nur wie ein Blitz; dann zog sie der Sichtschirm an. Er diente zweifellos als Bindeglied zwischen einem Schiff im Raum und der Niederlassung. Aber vielleicht konnte er sie der Freiheit einen Schritt näherbringen. Irgendwo auf Warlock gab es die Vertretung einer Regierung. Mit diesem Funkgerät konnte sie deren Station erreichen, wenn sie genug Zeit und Geduld hatte, einen Suchstrahl über die ganze Skala zu führen. Die Geduld mußte sie aufbringen; ob ihr die Zeit dazu blieb, war eine andere Frage. Wo war der Händler? Und wo die Mannschaft? Waren sie aus irgendeinem Grund alle im Raumschiff? Aber weshalb?
Bis jetzt hatte sich Charis leise und mit äußerster Vorsicht bewegt; jetzt huschte sie in Windeseile durch alle Räume. Die Schlaf räume waren alle leer; die Küche roch noch nach erst kürzlich erhitzten Rationen und Quaffa, aber auch dort war kein Mensch; der größere Außenraum, in dem die Glasscherben zu einem Haufen zusammengekehrt waren, war ebenfalls menschenleer. Nur die von Sheeha herausgerissenen Stoffballen mit den herunterhängenden Bahnen waren noch nicht weggeräumt. Zurück zum Funkraum – niemand war da. Sie war also ganz allein. Warum und wie lange wußte sie nicht, nur daß sie im Augenblick allein war.
Und jetzt mußte sie ihr Glück versuchen. Sie kannte sich mit dem Gerät aus und machte einen ersten Versuch, einen anderen Funkleitstrahl irgendwo auf dem Planeten zu erreichen. War dies nun etwa die Mitte der Nacht auf Warlock, dann konnte sie vielleicht nicht damit rechnen, daß der Regierungsposten besetzt war. Jedenfalls konnte sie aber eine Nachricht funken, die automatisch auf Band aufgenommen wurde, und diese Nachricht brachte dann die Behörden auf den Weg zu ihr, und sie hatte die Chance, ihre Geschichte zu erzählen.
Schade, daß das Licht so schwach war, aber sie hatte leider den Hauptschalter nicht gefunden. Also mußte sich Charis ganz dicht über die Tastatur des Gerätes beugen, um die richtigen Knöpfe für die Schaltung des Suchstrahles zu finden.
Einen Augenblick lang war Charis verwirrt, denn die Anordnung der Knöpfe entsprach nicht der bekannten Norm. Aber dann verstand sie. Jagans Schiff war nicht neu, und so war auch dieses Gerät vermutlich schon ziemlich alt. Aber welche Reichweite hatte ein solches Gerät? Wenn der Regierungsposten allzu weit entfernt war, dann blieb ihr wenig Hoffnung auf einen guten Kontakt.
Langsam drückte Charis die Suchtaste. Sie durfte keinen Fehler machen, wenn sie quer über die ganze Skala ging. Das Krachen und Knattern des nun aktivierten Strahls war aber nur das atmosphärische Echo einer leeren Welt. Charis hatte auf Demeter die gleiche Erfahrung gemacht.
Nur das dünne Bie-bie-bie des Strahls, der von einer Seite der Skala zur anderen rückte, gab ihr die Bestätigung dafür. daß er nach einer Antwort tastete. Nun mußte sie eben warten, bis sich der Strahl mit einem anderen kreuzte – oder bis die Händler zurückkehrten.
Da das Gerät arbeitete, konnte sich Charis mit anderen Problemen beschäftigen. Warum hatte man sie nachts allein in der Station zurückgelassen? Aus dem tief eingeschnittenen Tal des Flußlaufes konnte sie nicht zum Plateau hinaufsehen, wo das Schiff gelandet war. Jagan hatte Sheeha zum Schiff mitgenommen, aber da waren noch wenigstens zwei Männer hier gewesen. Hatten sie geglaubt, sie sei in ihrer Zelle sicher eingeschlossen, so daß sie anderen Pflichten nachgehen konnten? Was sie über den Tagesablauf und die notwendigen Arbeiten wußte, das hatte sie vom Kapitän erfahren, und der hatte ihr sicher nur das gesagt, was er wünschte, daß sie wußte.
Der Suchstrahl zirpte unentwegt weiter. Mit einem Ruck fuhr Charis plötzlich auf. Ein Drittel der Skala hatte nicht den winzigsten Kontakt gebracht, und mindestens ein Viertel davon mußte Meer sein; aus dieser Richtung konnte sie keine
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