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Im Bann der Träume

Im Bann der Träume

Titel: Im Bann der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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von dieser Seite zu ihrem Vorteil gewesen.
    Und sie war so unsagbar müde … Warum sollte sie noch länger dagegen ankämpfen? Aber wo würde sie dann wieder erwachen? Vielleicht dort, wo sie jetzt war, fröstelnd und steif vor Müdigkeit und im Dunkeln …? Nein, so dunkel war es ja gar nicht, denn die Büsche und Sträucher verbreiteten ein mildes, fahles Licht. Charis blinzelte. Hatte sie wieder geträumt? Nein, sicher nicht. Aber es gab einen Grund dafür, daß sie jetzt sofort von hier wegmußte.
    Mühsam stemmte sie ihren steifen Körper in die Höhe und griff nach dem von ihrem Handgelenk hängenden Seil. War es noch Nacht oder früher Morgen? Die Zeit war so unwesentlich; wichtig war nur, daß sie sich bewegte. Dort hinunter und dann hinüber. Sie machte nicht einmal den Versuch, dagegen anzukämpfen, sondern ging.
    Die leuchtenden Pflanzen waren Wegweiser, und bald bemerkte sie, daß entweder ihr Licht oder ihr Geruch kleine Flugtiere angelockt hatte, die großen Glühwürmchen glichen; es sah fast gespenstisch aus, wenn die Lichtpunkte aus dem schimmernden Kreis der Büsche heraus- oder in ihn hineinflogen. Die Düsterkeit der Tagwelt auf Warlock wurde nachts zu einem geheimnisvollen Spuk.
    Die Dunkelheit eines tiefen Schattens war ihr Ziel. Ebenso wie sie am Morgen an der Küste nicht vermocht hatte, ihren Spuren nach rückwärts zur Niederlassung zu folgen, so konnte sie sich auch jetzt nicht dem zwingenden Einfluß entziehen, der sie zu diesem dunklen Fleck führte. Sie wußte, daß dort ihr Ziel lag, daß nichts sie aufhalten konnte, es zu erreichen.
    Ein wenig widerstrebend trat sie aus dem halben Licht der schimmernden Pflanzen in die Dunkelheit; es mußte eine Spalte im Felsen oder eine Höhle sein. Unter den Füßen spürte sie abgefallene Blätter, und hohe Mauern schlossen sie ein. Charis’ ausgestreckte Hände streiften zu beiden Seiten an Fels. Als sie hinaufschaute, sah sie hoch oben am samtenen Nachthimmel einen Stern blitzen. Also mußte es eine Art Kamin und keine Höhle sein. Aber weshalb war sie hier? Warum nur?
    Ein zweites Licht bewegte sich über den Spalt, und es schien einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Vielleicht war es das Licht eines Flugzeuges? Suchten die Händler nach ihr? Oder der andere, den sie auf dem Sichtschirm gesehen hatte? Aber dieses Bild mußte doch ganz aus dem Norden gekommen sein. Oder hatte ihr Hilferuf eine Regierungsstelle alarmiert, und die hatte einen Mann nach ihr ausgesandt? Aber es war ausgeschlossen, daß man sie in dieser Dunkelheit und zwischen diesen hohen Felsen sah. Sie war hierhergeführt worden, um sich zu verstecken – vor einer Gefahr oder einer Hilfe?
    Und sie konnte nicht fort von hier. So sehr sie sich auch darum bemühte, es gelang ihr kein Schritt vor- oder rückwärts. Es war, als hätten ihre Füße im Fels Wurzeln geschlagen. Vor einem Tag noch hätte sie deshalb unsagbare Ängste ausgestanden, aber jetzt war es anders. Jetzt war sie nur noch neugierig und sogar bereit, sich für einige Zeit einem fremden Willen zu beugen. Neugierig war sie ja von jeher gewesen. »Warum?« war ihre Antwort auf alles gewesen, was sie nicht verstand, und Ander Nordholm hatte ihre Wißbegierde noch gefördert. Die Frage »warum?« hatte sozusagen ihr Leben geprägt.
    Ihr Vater war sehr klug gewesen, als er diese Neugier pflegte. Immer durfte sie ihre eigenen Entdeckungen machen, und jede war ein neues Wunder, ein neuer Triumph. Allmählich wurde sie sogar ungeduldig mit jenen, die dieses suchende Forschen nicht zum Hauptinhalt ihres Lebens machten. Auf Demeter hatte sie sich wie in einer Falle gefühlt, denn ihre Fragen prallten gegen eine undurchdringliche Wand von Vorurteilen und »so war es immer gewesen, und so wird es auch bleiben«. Als sie dann trotzdem versucht hatte, ihre eigene Neugier in ihre Schüler zu überpflanzen, da war sie wieder auf Ablehnung und Nichtwissenwollen gestoßen; zuerst wollte sie an eine solche Haltung nicht glauben, dann wurde sie böse darüber, und schließlich hatte sie offen den Kampf dagegen aufgenommen.
    Solange ihr Vater noch am Leben war, versuchte er, sie zu besänftigen und ihre enttäuschte Energie in Bahnen zu lenken, die ihr die Freiheit der Tat und Forschung garantierten. Er hatte sie dazu ermutigt, mit dem Ranger auf Expeditionen zu gehen, um ihre Entdeckungen den Regierungsstellen zugänglich zu machen. Ihr Verhältnis zu den Siedlern hatte sich jedoch ständig verschlechtert und war schließlich, als ihr

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