Im Bann der Träume
weißen Schüssel und aufgestapelten Fladen auf einem grünen Tischtuch. Aber nichts war zu sehen. Schließlich bemerkte sie einen einzelstehenden Baum, an dem diese blauen Früchte wuchsen, und sie aß sich daran satt.
Dann durchschnitt ein Hilfeschrei die Ruhe des Nachmittags. Charis ließ unwillkürlich ihre gesammelten Früchte fallen und lief mit schlagbereiter Waffe dem Schrei entgegen. Warum lief sie eigentlich? Sie wußte nur, daß irgendwo eine Gefahr lauerte, daß sie zu Hilfe eilen mußte.
Etwas Kleines, Schwarzes rannte in großen Sprüngen aus dem Wald. Es lief nicht Charis, sondern der Klippe entgegen, und die Angst des Tieres traf sie wie ein Schlag, als es an ihr vorbeirannte. Und dann war wieder dieser Zwang da, der sie in der Nacht vorher in der Spalte zurückgehalten hatte. Jetzt mußte sie rennen, rennen, vor einer Gefahr davonrennen. Sie folgte dem kleinen Ding zu den Klippen.
Das kleine Wesen schien allmählich müde zu werden. Hinter sich hörte sie einen Laut, der einem gedämpften Heulen glich. Mit ein paar Sprüngen versuchte das Tierchen über die Klippen zu setzen, rutschte aber immer wieder am glatten Fels ab. Es wimmerte in tödlicher Angst; als Charis sich näherte, lief es ihr entgegen und sah sie an. Sie überlegte sich nicht, was sie tat, sondern nahm den kleinen, warmen, pelzigen Körper auf, der sich sofort mit allen vier Krallenfüßchen an ihren Coverall klammerte. Das Tierchen hatte riesengroße Augen und zitterte vor Angst.
Sie fand einen Pfad, auf dem sie weiterklettern konnte. Sorgsam gab sie acht, daß sie dem Tierchen nicht wehtat. Endlich war sie einigermaßen in Sicherheit, und sie rastete, um ihren Atem zu beruhigen. Eine feuchte Zunge leckte sanft ihren Hals. Charis zog sich tiefer in das Versteck zurück und nahm das gerettete Tierchen fest in den Arm. Noch sah sie nichts aus dem Wald kommen.
Ein leises Miauen ihres Gefährten machte sie auf den braunen Schatten aufmerksam, der auf dem Lavendelgrün des Mooses dahintappte. Das war ein Tier; soviel konnte sie feststellen, und es hielt sich nach Möglichkeit im Schatten der Büsche.
Aber das Tier war nicht allein. Charis keuchte vor Angst und Schrecken, denn die Gestalt, die nun zwischen den Bäumen hervortrat, war nicht nur humanoid, sondern trug auch die grün-braune Uniform des Überwachungsdienstes. Sie wollte dem Fremden schon winken und zurufen, als jene Erstarrung sie packte, die sie wie in der Spalte festgehalten hatte. Sie war bewegungslos wie jene Arbeiter in den Gefrierräumen der Schiffe. Der Mann ging umher, als suche er eine Spur und verschwand schließlich mit seinem Gefährten wieder im Dickicht des Waldes.
Erst lange Minuten später vermochte Charis sich wieder zu bewegen.
»Meerree?« Das war ein leiser, deutlich fragender Ton. Zum erstenmal sah sich Charis das Tierchen näher an, das seine fragenden Augen nicht von ihr abwandte.
Der Pelz des Tierchens bedeckte den ganzen Körper in seidigen, winzigen Locken. Es hatte vier Beine, die in Krallenpfoten endeten, aber die Krallen waren nun eingezogen. Ein kurzer Schwanz mit längeren Haaren lag nun fein säuberlich über einer Flanke. Der Kopf war rund und lief in einer kurzen Schnauze aus. Nur die Ohren schienen unverhältnismäßig groß zu sein und lagen seitlich am Kopf; sie hatten lange Spitzen, die mit einem grauen, pinselartigen Tuff besetzt waren, und ähnlich lange Haare von der gleichen Schattierung rahmten die riesigen blauen Augen ein und liefen in schmalen Streifen zu den Innenseiten der Beine.
Diese Augen waren faszinierend. Charis konnte kaum wegsehen. In Tierempathie war sie nicht geschult, aber sie spürte Intelligenz in dieser kleinen, schutzsuchenden Kreatur.
»Merree!« Diesmal klang es ungeduldig. Es zitterte ein wenig, und die kleine, gelbe Zunge leckte an ihrem Hals. Charis lockerte ihren Griff und fürchtete schon, das Tierchen würde nun davonlaufen, aber es sprang nur hinunter, blieb vor ihr stehen und sah zum Wald hinüber, aus dem der Feind gekommen war.
Feind? Das war doch ein Mann vom Überwachungsdienst gewesen. Charis hatte ihn schon fast vergessen. Was hatte sie davon abgehalten, ihm zu winken und zuzurufen? Vielleicht war er auf ihren Hilferuf gekommen. Aber warum durfte sie nicht mit ihm sprechen? Dafür fand sie keine Erklärung. Und Charis wußte, daß sie gegen eine unsichtbare, unübersteigbare Wand gestoßen wäre, hätte sie versucht, zum Wald zu laufen.
»Meerree!« Wieder diese Frage. Das Tierchen
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