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Im Bann der Träume

Im Bann der Träume

Titel: Im Bann der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Monate später auf Demeter erwartet. Dann konnte die ganze Kolonie schon ausgestorben sein. Sollte es dann noch den einen oder anderen Überlebenden geben, dann hatte man immer noch die Epidemie als Ausrede zur Hand. Charis war überzeugt, daß die Führer der Kolonie nunmehr der Meinung waren, sie und ihre Anhänger seien nun unabhängig von der Regierung, und kein Schiff würde mehr kommen; und das sei alles ein Werk der Macht, an die sie geglaubt hatten und jetzt noch mehr glaubten als je vorher.
    Charis schlüpfte tiefer in das Buschwerk hinein. Der Regen troff von den Zweigen, klatschte ihr das Haar an den Kopf, lief über ihr Gesicht und durchtränkte den zerrissenen Mantel. Fröstelnd zog sie die Schultern ein. Wenn sie nur die Quelle erreichen könnte! In den zerklüfteten Felsen darüber konnte sie vielleicht eine Höhle finden, die ihr Schutz bot.
    Aber jeder einzelne Schritt bergauf war eine Qual. Ein paarmal ging sie auf Hände und Knie nieder, bis sie sich an einem Busch oder Felsen wieder in die Höhe ziehen konnte. Die ganze Welt war naß und grau, eine See, die sie zu verschlingen drohte. Charis schüttelte den Kopf. Es wäre so leicht, in die Tiefen jener See hinabzutauchen – nur, sie wollte es nicht.
    Das war die Realität – hier und jetzt. Sie konnte sich an die Büsche klammern, sich an ihnen entlangziehen. Droben war Sicherheit; eine Art Freiheit wenigstens, die von den Kolonisten unbehelligt blieb. Und da war auch die Quelle. Der Blütenvorhang war zu einem Teppich aus Samenkapseln geworden. Keine Eidechsen; ein haariges Wesen mit langer Schnauze kauerte an der Quelle und trank; es sah sie aus kleinen, kalten Augen furchtlos an. Charis starrte zurück. Eine purpurne Zunge schnellte aus der Schnauze und schlappte eiligst das Wasser. Dann zog sich das Wesen auf stämmigen Hinterbeinen zurück und war, hoch aufgerichtet, fast einen Meter groß. Charis erkannte in dem Tier einen Baumbewohner, der von Früchten lebte, und dessen überentwickelte Arme und breite Schultern zum Klettern geschaffen waren. Bisher hatte Charis dieses Tier noch nie auf dem Boden gesehen, aber sie hielt es für harmlos. Es war über Erwarten gelenkig und kletterte flink an den kräftigen Ranken empor. Dann hörte sie nur noch einen schrillen Schrei und Geräusche, die auf eine Gruppe sich entfernender Tiere schließen ließen.
    Charis bückte sich zur Quelle hinunter, schöpfte mit den gewölbten Händen Wasser und trank. Es war so kalt, daß sich ihre Hände taub anfühlten, und sie mußte sie kräftig reiben, um die Blutzirkulation zu beleben. Dann wandte sie sich nach links, wo die Vegetation vor nackten, kahlen Felsen zurückwich.
    Charis hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange sie sich durch das steinige, zerklüftete Gelände gequält hatte. Sie war nun völlig ausgepumpt, und nur ihr unbeugsamer Wille half ihr, zum Fuß eines Felsens zu kriechen, an dessen Wand sich eine andere, breite Säule lehnte und so ein schmales Dach formte. Sie schob sich müde in den schützenden Winkel, kauerte sich zusammen und weinte vor Schwäche.
    Der Schmerz, der unter ihren Rippenbögen begonnen hatte, verbreitete sich allmählich über den ganzen Körper. Sie zog die Knie an, legte die Arme darum und ließ das Kinn darauf sinken. Ganz allmählich wurde sie sich darüber klar, daß der Zufall ihr ein besseres Versteck beschieden hatte, als sie es sich selbst hätte suchen können.
    Von dieser Nische aus hatte Charis einen recht guten Ausblick über den zum Landefeld abfallenden Hügel. Selbst nach diesen vielen Monaten waren die Raketenspuren noch deutlich zu erkennen. Rechts davon drängten sich die Kolonistenhütten aneinander. Der dichte Regen verschleierte das Bild, aber Charis glaubte aus dem einen oder anderen Kamin eine dünne Rauchsäule aufsteigen zu sehen.
    Blieb Tolskegg seiner Gewohnheit treu, so hatte er die Mehrzahl der Erwachsenen schon auf die Felder geschickt, um sie zu bestellen. Da der größte Teil der Geräte zerstört war, mußte es schwierig sein, die Saat rechtzeitig in den Boden zu bringen, denn sie brauchten eine baldige Ernte. Charis konnte von ihrem Platz aus die Felder nicht sehen, die von einer Schulter des Hügels verdeckt wurden. Wenn sich aber die Führer der Kolonie an den Plan hielten, dann brauchte sie nicht sehr bald zu fürchten, daß man ihre Spur fand – wenn überhaupt.
    Ihr Kopf lag schwer auf ihren Knien; ihre Müdigkeit war fast ebenso peinigend wie der Hunger. Sie zwang sich dazu, das

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