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Im Bann der Träume

Im Bann der Träume

Titel: Im Bann der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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um sie zu empfangen.
    Charis nickte. Das gehörte alles zu dem, was ihr die schattenmustrige Wyvern in Aussicht gestellt hatte. Sie mußte alles aus sich heraus und mit eigenen Kräften tun; die Antwort mußte die ihre sein.
    Die schattenmustrige Wyvern hatte es gesagt; und nun sollte es bewiesen werden. Charis hielt das Plastiktäfelchen in ihren beiden Händen, so daß sie im flackernden Halblicht der Lampen das Muster erkennen konnte. Kleine Schwingen … blasse Haut mit der Andeutung verblaßter Zeichnungen darauf … Charis schob die Wyvern aus ihrem Gedächtnis und zeichnete im Geist Strich für Strich an dem Bild, auf das sie sich konzentrieren mußte, bis sie sicher war, daß sie nicht die kleinste Einzelheit vergessen hatte. Und dann …
    »Dann kannst du also doch zu einem bestimmten Zweck träumen.« Kein Erstaunen, nur ein Erkennen und eine Anerkennung als Gruß.
    Der Raum war nebelverhangen. Obwohl an jeder Tischseite zwei Lampen standen, ahnte Charis nur einen riesigen Raum, der sich hinter den kleinen Lichtteilchen im Dunkel verlor. Die Wyvern saß auf einem Stuhl mit hoher, gerader Lehne, und ihr heller Körper schien in rieselnden Farbwellen zu glühen. Die Hexe lehnte sich zurück und legte die Arme auf die Stützen, als sie Charis musterte.
    Endlich fand die Außenweltlerin Worte. »Ich habe geträumt, Weise, um hier stehen zu können.«
    »Gut. Und zu welchem Zweck stehst du hier, Träumerin?«
    »Daß ich euch eine Warnung übermittle.«
    Die Schlitzpupillen in den riesigen, gelben Augen zogen sich zusammen, und der Schnauzenkopf hob sich eine Spur; Charis spürte deutlich eine Welle der Ablehnung.
    »Du hast etwas, Träumerin, das dich gegen uns bewaffnet? Dann hast du etwas dazugewonnen, seit wir uns zum letztenmal sahen. Welch neue große Macht hast du entdeckt, die dich berechtigt, zu uns zu sagen ›ich warne euch‹?«
    »Du hast meine Worte mißverstanden, Weise. Ich warne euch nicht vor mir, sondern vor anderen.«
    »Du nimmst mehr auf dich, Träumerin, als dir zusteht. Hast du die Antwort gelesen von denen, die schon gegangen sind?«
    Charis schüttelte den Kopf. »Nein. Aber du mißverstehst mich noch immer, Leserin der Muster. Wir träumen von dem, was kommt, einen Traum; nicht Traum gegen Traum.«
    Die Schlitzaugen drangen tief in die ihren; sie schienen direkt nach ihrer Seele zu greifen. »Es ist wahr, daß du mehr zustande gebracht hast, Träumerin, als wir glaubten, daß du tun könntest. Aber in nichts und in keinem Sinn bist du so wie wir; du gleichst uns nur in der Kraft, die wir dir verliehen haben. Warum willst du uns nun sagen, wir sollten den gleichen Traum träumen?«
    »Wenn ihr das nicht tut, dann werden alle Träume in sich zusammenfallen.«
    »Und das glaubst du wirklich.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Trotzdem antwortete Charis schnell: »Ja, das glaube ich wirklich.«
    »Dann hast du mehr gelernt, seit wir uns zuletzt gesehen haben, als einen verborgenen Traum zu brechen. Was hast du gelernt?«
    »Daß die von anderen Welten mächtiger sind, als wir geglaubt haben; daß sie etwas bei sich haben, das alle Träume zerrinnen läßt und sie schützt; daß sie wünschen, eure Macht für sich zu gewinnen, um sie für ihre eigenen Zwecke an anderen Orten einzusetzen.«
    Wieder dieser Griff nach ihrer Seele, welcher die Wahrheit hinter ihren Worten bestätigte. »Aber du bist nicht ganz überzeugt, daß diese Dinge richtig sind.«
    »Nicht ganz«, gab Charis zu. »Jedes Muster besteht aus Linien. Wenn du also ein Muster lange kennst und nur einen Teil davon siehst, kannst du von diesem Teil auf das Ganze schließen.«
    »Und das ist ein Muster, das du seit langem kennst?«
    »Es ist eines, von dem ich ebenso gehört habe wie Lantee.« War es ein Fehler gewesen, diesen Namen zu erwähnen? Ein plötzliches Frösteln ließ sie das vermuten.
    »Was hat ein Mann damit zu tun?« Diese Frage strömte eisigen Zorn aus.
    Auch Charis wurde nun zornig. »Sehr viel, Weise. Vielleicht ist er jetzt tot, weil er versucht hat, dem Feind die Stirn zu bieten. Eurem Feind!«
    »Wie ist das möglich, wenn er …« Die Kette der Gedanken brach mitten im Satz ab. Die Lider senkten sich über die gelben Augen. Das Gefühl des plötzlichen Ausgeschlossenseins war so übermächtig, daß Charis darauf gefaßt war, die Wyvern aus ihrem Stuhl verschwinden zu sehen. Aber ihr Körper war noch immer da, wenn auch ihr Geist anderswo weilte.
    Die Minuten waren endlos lange; dann wußte

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