Im Bann der Träume
scheint, Träumerin, du glaubst, daß ich, Gidaya, hier Befehle erteilen kann ganz nach meinem Willen. Aber dem ist nicht so. Wir müssen Rat halten. Und unter uns sind viele, die der Wahrheit nicht lauschen wollen, wenn das Wahrheit ist, was du gesagt hast – nur weil du es gesagt hast. In dieser Sache sind wir nicht einig. Wir müssen die anderen überreden, und das wird schwierig sein. Wenn du in aller Offenheit neben mir stehst, wird es unmöglich sein, sie zu überreden.«
»Das verstehe ich. Aber du hast mir gesagt, Weise, daß die Zeit eine Drohung ist. Laß mich mit Thorvald sprechen, wenn ihr ihn hier habt, damit ich von ihm höre, was getan werden kann, um von Außenwelten Hilfe zu holen.« War sie mit dieser Bitte zu weit gegangen?
Gidaya antwortete nicht sofort. »Thorvald ist in sicherer Verwahrung …« Nach einer Pause fuhr sie fort: »Obwohl ich mir natürlich jetzt Gedanken mache über die Sicherheit dieser Verwahrung. Gut, du kannst zu ihm gehen. Ich werde aber denen sagen müssen, die dagegen sind, daß du seine Gefangenschaft teilst.«
»Wenn du willst.« Charis vermutete, daß Gidaya das nur sagte, um gegebenenfalls die Gegner der Außenweltler zu beschwichtigen. Sie selbst zweifelte aber sehr daran, daß die Wyvern noch immer glaubten, sie könnte von ihnen unter Kontrolle gehalten werden.
»Dann geh!«
Also war Thorvald wenigstens nicht an jenen Ort des Nicht-Seins verbannt worden, der Lantees Gefängnis gewesen war. Charis stand in einem ganz gewöhnlichen Schlafraum der Zitadelle, der sich von ihrem seinerzeitigen Zimmer nur dadurch unterschied, daß er kein Fenster hatte. Auf den Schlafmatten lag ein Mann, der tief und schwer atmete. Er murmelte etwas, doch sie verstand es nicht.
»Thorvald! Ragnar Thorvald!« rief sie.
Der hellbronzene Kopf hob sich nicht von den Matten, und auch seine Augen blieben geschlossen. Charis kniete neben ihm nieder. »Thorvald!« rief sie wieder.
Er murmelte wieder etwas. Seine Hand ballte sich zu einer Faust und landete auf ihrem Unterarm. Träume? Waren es natürliche Träume, oder hatten die Wyvern sie gelenkt? Jedenfalls mußte sie ihn jetzt unbedingt aufwecken.
»Thorvald!« Charis rief noch lauter und schüttelte ihn kräftig an der Schulter.
Wieder schlug er zu; sie fiel gegen die Wand. Er setzte sich plötzlich auf und sah sich böse um. Als er sie sah, bemerkte sie in ihm eine deutliche Spannung.
»Ich glaube … du bist echt!« Seine Feststellung hatte einen deutlichen Unterton ungläubigen Staunens.
»Ich bin Charis Nordholm.« Sie drückte sich an die Wand und rieb ihren Arm. »Und ich bin wirklich echt. Das ist kein Traum.«
14
Er war sehr groß und stand wie ein Turm über Charis, die mit gekreuzten Beinen auf der Matte saß. Ungeduldig rannte er im Raum auf und ab, stellte ihr ab und zu eine Frage, oder ließ sie einen Teil ihrer Geschichte noch mal erzählen.
»Es sieht wirklich nach dem Raubzug einer Firma aus«, meinte er abschließend. »Und das heißt, daß sie sich außergewöhnlich sicher fühlen müssen. Sie sind wohl überzeugt, nichts übersehen zu haben.« Er sprach eigentlich mehr zu sich selbst als zu Charis. »Die haben irgendeinen Handel abgeschlossen, einen ganz üblen Handel!«
Natürlich ahnte Charis, was er damit sagen wollte. »Du meinst also, sie haben dafür gesorgt, daß jemand beide Augen zudrückt?«
Thorvald warf ihr einen scharfen, fast widerwilligen Blick zu. Er nickte kurz. »Aber nicht bei unserer Behörde!« knurrte er.
»Die Patrouille können sie aber doch nicht ausschalten? Jedenfalls doch dann nicht, wenn es dir gelänge, eine Nachricht durchzugeben.«
Er lachte zornig. »Kaum. Aber die einzige Möglichkeit für eine interplanetare Nachricht ist beim Regierungsposten; und du sagst ja, daß der von ihnen besetzt ist.«
»Das Patrouillenschiff steht neben der Landebahn. Es müßte doch ein weitreichendes Funkgerät haben.«
Thorvald rieb sich mit der Hand über das Kinn. Seine Augen hingen an der blanken Wand des Raumes. »Ja, dieses Patrouillenschiff …«
»Der Hubschrauber war nicht bewacht.«
»Da haben sie auch noch nicht mit Schwierigkeiten gerechnet. Sie dachten vielleicht, sie hätten das gesamte Postenpersonal in die Hände bekommen. Aber das stimmt natürlich nicht.«
Dahinter lag Vernunft. Als sie Lantee fingen – jetzt war sie davon überzeugt – und sie den Hubschrauber entführt hatte, da waren ihnen sicher die Augen aufgegangen. War das Patrouillenschiff vorher nicht
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