Im Bann der Träume
Charis, daß die Wyvern zurückgekehrt war. Ihre Finger klammerten sich um die Armstützen, und die gelben Augen waren starr auf Charis gerichtet.
»Du hast ihn dort nicht gefunden, Weise, wohin du ihn gesandt hast?« fragte sie.
Keine Antwort; aber Charis wußte genau, daß die Wyvern verstanden hatte.
»Er ist nicht dort«, fuhr sie fort, »und er ist seit einiger Zeit nicht mehr dort. Ich sagte dir ja, und es ist wahr, daß er euretwegen unterwegs war. Und vielleicht hat ihm das geschadet.«
»Er hat sich nicht selbst befreit.« Der harte Griff der Wyvernhände lockerte sich. Charis glaubte, die Hexe müsse verwirrt sein, weil sie ihre Betroffenheit verraten hatte. »Er konnte doch nicht. Er ist ein Mannding.«
»Aber auch er ist ein Träumer, wenn auch auf seine Art«, schlug Charis zurück. »Und er kehrte zurück, obwohl ihr ihn in das Nichts geschickt habt. Er kam nicht zurück, um Krieg gegen euch zu führen, sondern gegen jene, die alle Träume bedrohen.«
»Welchen Traum hast du, um diese Dinge zu tun?«
»Nicht mein Traum allein«, erwiderte Charis. »Auch sein Traum, und andere Träume vereint mit den unseren als Schlüssel, der dieses Gefängnis aufsperrte.«
»Ich muß glauben, daß dem so ist. Aber eine solche Tat ist jenseits aller Vernunft.«
»Jener Vernunft, die euch bekannt ist und denen, die eure Träume teilen. Sieh mal.« Charis ging zum Tisch und streckte Hand und Arm in das volle Licht. »Sehe ich so aus wie ihr? Trage ich mein Traummuster auf meiner Haut? Nein! Und doch träume ich. Müssen also meine Träume unbedingt in allem den euren gleichen? Vielleicht ist auch die Kraft, wenn ich sie meinem Willen beuge, eine andere als die eure!«
»Worte!« meinte die Wyvern ein wenig geringschätzig.
»Worte mit Taten dahinter. Ihr habt mich dorthin geschickt und mir gesagt, ich solle aus eurem Netz entwischen, wenn ich kann, und das tat ich. Und mit Shann Lantee zusammen träumte ich einen Weg frei aus einem viel tieferen Gefängnis. Glaubtet ihr, daß ich all das tun konnte?«
»Glauben? Nein«, antwortete die Wyvern. »Aber es gibt immer die Möglichkeit, daß eine Kraft sich verändert. Und die sprechenden Stäbe hatten eine Antwort für dich, als wir die riefen, die einmal gewesen waren. Schön, das ist eine Wahrheit, die wir annehmen. Und jetzt sage, was du für Wahrheit hältst.«
Charis erklärte erneut, was sie am Regierungsposten festgestellt hatte und was Lantee daraus schloß.
»Eine Maschine, die die Kraft aufhebt? Du glaubst doch nicht wirklich, daß eine solche Maschine möglich ist?«
»Doch, ich glaube es. Und wenn eine solche Maschine gegen euch eingesetzt wird – auch in eurer Zitadelle? Eure Träume werden unterbrochen. Wie könnt ihr dann gegen tödliche Waffen in den Händen jener kämpfen, die kommen?«
»Wir wissen«, überlegte die Wyvern, »daß wir keine Träume senden können, um diese Fremden zu verwirren, oder um jene, die das Gesetz gebrochen haben, an den richtigen Ort zu senden. Wir hatten nicht daran gedacht, daß sie es wagen würden, nach unserer Kraft zu greifen.«
Charis atmete ein wenig erleichtert auf. Wenn die Wyvern das zugab, war ihre eigene Lage mit einem Schlag besser. Es war so, als sei sie nun irgendwie in die Ränge der Wyvern eingegliedert worden.
»Sie müssen aber sehr unwissend sein, wenn sie glauben, daß Manndinger die Kraft benützen können«, fuhr die Wyvern fort.
»Lantee kann es«, erinnerte sie Charis. »Und was ist mit dem anderen, den ihr als Freund hier hattet, mit Thorvald?«
Eine zögernde, fast unwillige Antwort: »Auch er, auf begrenzte Art. Eine Fähigkeit, die sie deiner Meinung nach haben könnten, obwohl sie nicht Blut, Gebein und Haut mit uns gemeinsam haben?«
»Ist das so schwer zu verstehen?«
»Und was hast du vorzuschlagen, Träumerin? Du sprichst von Kämpfen und vom Krieg. Unsere einzigen Waffen waren die Träume, und jetzt sagst du, sie hätten nichts mehr zu bedeuten. Welche Antwort kannst du darauf geben?« Das war wieder kalte Feindseligkeit.
Und Charis war nicht gewappnet dafür. »Was diese Eindringlinge hier tun, ist gegen das Gesetz, das für uns gilt, und es ist eine gegen euch gerichtete Drohung. Es gibt aber Wesen, die uns schnell zu Hilfe eilen werden.«
»Von woher? Kommen sie von anderen Sternen geflogen? Und wie willst du sie rufen? Wie lange wird es dauern, bis sie kommen?«
»Das weiß ich nicht. Aber ihr habt den Mann Thorvald, und er kann euch diese Fragen beantworten.«
»Es
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