Im Bann der Träume
die haben wir doch gefunden, als wir ihr Schiff übernahmen.«
»Nein, Chef, da waren zwei Frauen. Die eine, die zuerst hergeflogen wurde, ist verrückt geworden. Deshalb brauchten sie eine andere. Die war aber nicht da, als wir die Niederlassung übernahmen. Und was ist mit dem Band, das wir gefunden haben? Da hat doch jemand einen Hilferuf losgelassen. Vielleicht war sie’s. Ist aus der Niederlassung abgehauen und davongerannt.«
Sie spürte, wie jemand an ihrer Tunika zog, als probiere er das Material zwischen den Fingern. »Das ist doch das Zeug, das die Schlangenweiber verwenden. Sie war bei ihnen.«
»Als Gefangene. Was, Chef?«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht. Nonnan, hol den Arzt her. Der wird sie schon wieder auf die Beine stellen, und dann wird sie uns einiges erzählen müssen. Ihr anderen verschwindet. Sie wird sich leichter tun mit dem Reden, wenn ihr nicht alle herumsteht und sie anglotzt.«
Charis bewegte sich. Mit einem Arzt hatte sie nicht gerne zu tun. Dem konnte einfallen, ihr eine Droge einzuflößen, die ihre Zunge löste. Es wäre also nur vernünftig, wieder zu Bewußtsein zu kommen, bevor er da war. Sie öffnete die Augen.
Ihren Schreck brauchte sie nicht zu spielen, der war echt, denn sie sah nicht den Chef, sondern ein Wesen, das einem Alptraum entsprungen zu sein schien. Ein Wyvernmann beugte sich über sie; sein Schnauzenmund war halb offen, so daß sie seine häßlichen Fangzähne sah, und seine Augen mit den Schlitzpupillen musterten sie mit feindlichem Interesse.
Charis schrie auf, zog die Beine an sich und schoß kerzengerade in die Höhe; sie rutschte so weit wie möglich von dem Wyvernmann weg, ganz in die Ecke des Feldbettes, auf das man sie gelegt hatte. Die Krallenpfoten mit den Schwimmhäuten streckten sich aus und griffen nach der Schaumgummimatratze … nur eine Handspanne von ihrem Körper entfernt …
Eine Faust schlug an den Reptilienkopf, so daß der Wyvernmann das Gleichgewicht verlor und gegen die Wand krachte. Ein Mensch in Uniform trat an seine Stelle. Wieder schrie Charis und rutschte von dem Wyvernmann weg, der sich aufgerichtet hatte und vor Wut knurrte.
»Verschwinde, du Schlange!« schrie sie, denn Sheeha hatte nur diesen Namen für die Wyvern benützt. »Er darf mich nicht anrühren!«
Der Mann packte die Schuppenschulter des Wyvern und schob ihn unsanft zur Tür hinaus. Charis schluchzte. Sie versuchte auch nicht, dieses Schluchzen zu unterdrücken und duckte sich so klein wie möglich zusammen.
»Die dürfen mich nicht kriegen!« wimmerte sie und sah furchtsam zu dem Mann auf, der nun vor ihr stand.
Dieser Mann war genau der Typ jener harten Kaufleute, denen sie in Raumhafenstädten verschiedener Welten schon oft begegnet war; sie waren so ausgekocht und schlau wie irgendein Beamter der Raumbehörden. Da er an einem Beutezug teilgenommen hatte, mußte er ihr von vorneherein mißtrauisch gegenüberstehen. Er war aber ziemlich jung und hatte außerdem den Angriff des Wyvernmannes unmißverständlich abgewehrt.
»Wer bist du?« Diese Frage wurde in einem solchen Befehlston gestellt, daß sich eine rasche und einigermaßen richtige Antwort wohl kaum umgehen ließ.
»Ich? Charis … Charis Nordholm. Und Sie sind der Statthalter?« Er sollte glauben, daß sie seine Uniform nicht kannte, daß sie ihn für einen Regierungsbeamten hielt.
»So kann man es nennen. Ich bin der Leiter dieses Postens. So, du heißt also Charis Nordholm? Und wie bist du nach Warlock gekommen, Charis Nordholm?«
Nicht allzu zusammenhängend antworten, beschloß Charis. Sie versuchte sich Sheeha vorzustellen. »Das war eine Schlange«, meinte sie anschuldigend. »Die haltet ihr hier.« Sie sah ihn mißtrauisch und furchtsam an.
»Ich sage dir, der Eingeborene tut dir nichts, wenn du das bist, was du zu sein scheinst«, antwortete er nachdrücklich.
»Was ich scheine …«, sagte sie. »Was ich scheine. Ich bin Charis Nordholm.« Sie sprach ausdruckslos, als wiederhole sie eine ihr eingetrichterte, oft geprobte Lektion. »Sie haben mich hergebracht … ich sollte die Schlangen treffen! Ich wollte gar nicht kommen. Sie haben mich gezwungen!« Ihre Stimme brach wimmernd ab.
»Wer hat dich hierhergebracht?«
»Kapitän Jagan, der Händler. Ich war an der Niederlassung …«
»So, du warst also an der Niederlassung. Und was passierte dort?«
Wieder konnte sie ihm einen Teil der Wahrheit berichten. Charis schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht! Die Schlangen …
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