Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Träume

Im Bann der Träume

Titel: Im Bann der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
Vom Netzwerk:
werden sie annehmen, ich sei zurück und habe mich versteckt. Sie werden die Maschine dann nicht mit dir in Verbindung bringen.«
    Das erschien Charis vernünftig; sie überließ Thorvald den Pilotensitz und setzte sich auf den anderen. Mit einem Sprung hoben sie ab. Dann flogen sie unter dem Nachthimmel dahin, und unter ihnen lag der Ozean.
    »Wahrscheinlich haben sie einen Suchstrahl eingeschaltet«, sagte er, als seine Finger über die Knöpfe am Armaturenbrett spielten. »Wir fliegen außen herum; das gibt uns die beste Deckung. Zuerst nach Norden, dann Westen, und vom Süden herauf …«
    Es war wirklich ein langer Umweg. Charis wurde müde, und ihre Lider wurden bleischwer. Der sanft grüne Schimmer der nächtlichen See unter ihnen hörte nie auf, obwohl sie schnell flogen.
    »Mach dir’s doch ein wenig bequemer«, riet ihr Thorvald. Jetzt hatte er seine Ungeduld unter eiserner Kontrolle. »Und schlafe, wenn du kannst.«
    Schlafen? Wie soll ein Mensch schlafen können, der eine solche Aufgabe vor sich hat? Schlafen? Unmöglich!
    Dunkel. Dickes, negatives Dunkel. Negativ? Was sollte das bedeuten? Dunkel, und dann tief im Herzen dieser Dunkelheit ein winziges Flämmchen, das nach dieser Dunkelheit griff. Ein Flämmchen, das bedroht war, das sie erreichen und nähren mußte! Das wieder zur großen, mächtigen Flamme werden mußte! Aber als Charis versuchte, dem Flämmchen entgegenzurennen, konnte sie sich nur mit tödlicher Langsamkeit bewegen, so daß die Schwere in ihren Gliedern wie ein Schmerz zu fühlen war. Das Flämmchen flackerte, flammte auf, flackerte. Charis wußte, wenn es erlosch, konnte es nicht mehr zum Leben erweckt werden. Aber sie mußte dieses Flämmchen nähren, es am Leben erhalten, und das war wichtiger als sie selbst. Sie sandte einen lautlosen, verzweifelten Hilferuf aus. Keine Antwort.
    »Aufwachen!«
    Ihr Körper zuckte unter einem festen Griff zusammen, und ihr Kopf schien keinen Halt mehr zu haben. Sie sah auf und schaute blinzelnd in Augen, in denen etwas von der Intensität des Flämmchens aus dem Dunkel brannte.
    »Du hast geträumt!« Das war ein Vorwurf. »Sie lassen dich nicht los! Sie haben nie daran gedacht …«
    »Nein!« Sie schüttelte Thorvalds Hand ab. »Das war keiner ihrer Träume.«
    »Aber du hast geträumt!«
    »Ja.« Sie drückte sich fester in ihren Sitz; der Hubschrauber war auf Autopilot geschaltet. »Shann …«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er ist noch am Leben.« Dieses winzige Bißchen an Sicherheit hatte Charis aus dem Dunkel mitgebracht. »Aber … er kämpft.« Auch das wußte sie, wenn auch nicht so unumstößlich sicher. Was hatte Lantee in jene Tiefen gestoßen, die sie gespürt hatte? Physischer Schmerz? Eine Vernehmungsdroge?
    Er lebte und kämpfte noch. Das wußte sie sicher, und das sagte sie auch.
    »Hast du keinen richtigen Kontakt mit ihm gehabt? Hat er dir nichts gesagt?«
    »Nein, nichts. Fast hätte ich ihn erreicht. Wenn ich noch mal versuchen könnte …«
    »Nein!« schrie Thorvald sie an. »Wenn er unter dem Einfluß von Vernehmungsdrogen ist, dann weißt du nicht, was sie aus einem solchen Kontakt herausbekommen. Du mußt ihn vollkommen aus deinem Gedächtnis streichen.«
    Charis sah ihn nur an.
    »Das mußt du«, wiederholte er stur. »Wenn sie dich spüren, hast du nicht die geringste Aussicht, so hineinzukommen, wie du geplant hast. Verstehst du das denn nicht? Du bist die einzige Chance, die Lantee nun hat. Wenn du ihm helfen willst, mußt du ihn persönlich erreichen. Nicht auf diese Art!«
    Thorvald hatte recht, und Charis war vernünftig genug, das einzusehen, obwohl es ihr unerträglich erschien, von dem winzigen Flämmchen zu wissen, das in dieser tiefen, alles verschlingenden Dunkelheit so tapfer um sein Leben kämpfte.
    »Beeile dich!« Ihre Lippen waren trocken, und sie befeuchtete sie mit der Zungenspitze.
    »Ja«, versprach er und setzte den neuen Kurs.
    Der Hubschrauber zog nach rechts weg, eilte der Küste entgegen und der Aufgabe, die sie sich selbst gestellt hatte.

 
15
     
    Die Sterne standen nicht mehr wie scharfe Lichtpunkte am Himmel, als der Hubschrauber unter Thorvalds geschickten Händen aufsetzte. Eine Stunde noch bis zur Dämmerung – welchen Tages? Seit Charis sich auf Warlock befand, hatte sie jeden Überblick über Minuten und Stunden verloren. Und jetzt stand sie auf dem Felsen und fröstelte in dem kalten Morgenwind.
    »Meeerreee!« Das war ein fast jubelnder Willkommensruf. Charis ging auf die Knie nieder

Weitere Kostenlose Bücher