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Im Bann der Träume

Im Bann der Träume

Titel: Im Bann der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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weiß nur, daß er noch lebt. Bis jetzt hat er absolut auf gar nichts reagiert. Eine so vollständige Abwesenheit habe ich noch nie im Leben gesehen.«
    »Nun, jedenfalls ist sie nicht im gleichen Zustand wie er. Vielleicht kriegst du etwas aus ihr heraus. Versuch’s mal. Je eher, desto besser.«
    »Komm.« Der Arzt sprach sanft mit ihr. Er streckte Charis die Hand entgegen.
    Sie saugte eben die letzten Pastenreste aus der Tube und sah mißtrauisch zu ihm hinauf. »Wohin?«
    »In einen guten Raum, wo du ruhen kannst. Wo es zu essen und Wasser gibt.«
    »Dort hinaus?« Sie deutete mit der Tube auf die Tür hinter ihm.
    »Ja.«
    »Nein. Dort sind Schlangen.«
    »Einer von denen war da, als sie kam«, erklärte der Chef. »Schick sie ein bißchen weiter weg.«
    »Niemand wird dir etwas zuleide tun«, versicherte der Arzt. »Ich lasse es nicht zu.«
    Damit ließ sich Charis umstimmen. Dieser »andere«, von dem sie gesprochen hatten, mußte Lantee sein …

 
16
     
    Vier Räume bildeten ein kleines, aber recht gut eingerichtetes Lazarett. In Charis’ Augen war der schlimmste Nachteil der, daß die einzige Tür, die nach außen führte, von einem Wächter mit Strahlengewehr besetzt war. Wollte man frei sein, dann mußte man an ihm vorbei.
    Der Arzt stützte sie beim Gehen. Mit vor Müdigkeit halb geschlossenen Augen wankte sie dahin, ließ sich aber keine Einzelheit der beiden ersten Räume entgehen. Im dritten Zimmer brachte eine Handbewegung sie zum Stehen. Sie streckte einen Arm aus, als sie schwankte, und stützte sich an die Wand; sie hoffte, daß man ihre Unsicherheit ihrem geschwächten Zustand zuschrieb.
    Lantee lag auf einem schmalen Feldbett auf dem Rücken. Seine Augen standen weit offen, aber sein Gesicht zeigte dieselbe Leere wie damals, als sie ihn zwischen den Felsen gefunden hatte. Jetzt war er wieder die Hülle eines lebenden Wesens, dessen Sein ausgelöscht war.
    »Kennst du diesen Mann?«
    »Diesen Mann?« wiederholte Charis. »Wer ist er? Warum sollte … ich … diesen Mann kennen?« Ihre Verwirrung war meisterhaft gespielt. Sie wußte, der Arzt beobachtete sie sehr genau.
    »Komm weiter.« Er griff wieder nach ihrem Arm und führte sie in das anstoßende Zimmer. Dort standen zwei weitere Feldbetten. Er drückte sie auf eines nieder. »Bleib hier.«
    Er ging hinaus und schloß die Tür ab. Charis fuhr sich mit der Hand durch ihre wirren Haare. Vielleicht beobachtete man sie durch ein verstecktes Videosystem; sie durfte also nichts riskieren. Sie legte sich auf das Feldbett zurück und schloß die Augen.
    Äußerlich war sie schlafbereit – innerlich rannten ihre Gedanken wie Ameisen hin und her. Lantee – was war mit ihm geschehen? Hier war er doch der ungeheuren Wyvernkraft nicht ausgesetzt gewesen. Soviel sie der kurzen Unterhaltung zwischen dem Chef und dem Arzt hatte entnehmen können, war Shanns Zustand auf nichts zurückzuführen, was sie hier mit ihm getan hatten. Sie waren sehr verblüfft, ja verwirrt.
    Diese Abwesenheit – eine Art Flucht. Die Idee, die ihr durch den Kopf schoß, riß sie in die Höhe. Lantee hatte diesen Fluchtweg gewählt! Er hatte sich absichtlich so sehr in sich selbst zurückgezogen, in diese Schwärze, die fast dem Tod glich, daß sie ihn keiner Wahrheitsdroge aussetzen konnten. Für einen solchen Entschluß mußte er einen schwerwiegenden Grund gehabt haben.
    Innerhalb des Alphabereiches wirkte die Kraft nicht. Charis’ Hand strich über ihre Tunika und fühlte das Stückchen Plastik, das ihr Schlüssel zu jenem Ort war, zu dem Lantee geflohen war, und diesen Schlüssel konnte sie nicht umdrehen. Sie hatte Lantee gefunden; eigentlich nur seine Hülle, die sein Wesen umschlossen hatte. Jetzt mußte sie noch den Neutralisator finden und einen Plan ausdenken, wie sie ihn unschädlich machen konnte.
    Es war ungeheuer schwierig, sich zur Geduld zu zwingen, wo jeder Nerv in ihr nach Taten schrie. Zuerst mußte sie die Leute davon überzeugen, daß sie ein verängstigter Flüchtling war. Sie zwang sich also dazu, ruhig liegen zu bleiben, obwohl sie am liebsten quer durch den Raum gelaufen wäre, um nachzusehen, ob die Tür verschlossen war.
    Als sie zu den Kuppeln taumelte, war es früher Morgen gewesen. Jetzt mußten die Außenweltler und die Wyvernmänner in voller Tätigkeit sein, und es hatte nicht den geringsten Sinn, jetzt auf Entdeckungsreisen gehen zu wollen. Charis konzentrierte ihre Gedanken, verstärkte sie mit ihrer eigenen Kraft und sandte sie aus, um

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