Im Bann der Versuchung
ein Mädchen von der Insel", meinte Angela. „Gelogen hat die Baroness nicht. Sie hat eben nur ... ein paar Details ausgelassen."
Hamilton holte tief Luft. „Nur fraglich, ob Mr. Stewart das auch so sieht. Was weiß Matheson denn überhaupt?"
„Keine Ahnung. Er hat mich auf Caransay besucht und mitbekommen, dass ich dort einfach nur Meg MacNeill sein möchte. Es dürfte ihm ein Leichtes gewesen sein, herauszufinden, dass Mr. Stewart meine wahre Identität nicht kennt. Mittlerweile könnte er ihn bereits darüber aufgeklärt haben. Sie haben sich nämlich heute getroffen.”
„Ach, darüber machen Sie sich mal keine Sorgen. Matheson wird viel zu sehr darauf bedacht sein, seine eigenen Federn zu spreizen. Der vergeudet nicht seine Zeit, über andere zu reden", versuchte Hamilton sie zu beruhigen.
„Ich mache mir aber Sorgen. Ich muss Ihnen beiden nämlich noch etwas sagen. Über kurz oder lang wird es doch jeder wissen. Ich habe mich entschieden ... Sir Frederick zu heiraten."
„Was wollen Sie?" rief Hamilton nach kurzem Schweigen entrüstet. Angela Shaw rang nach Luft.
„Ich muss. Ich glaube, es ist das Beste für uns alle."
„Ich verstehe das nicht. Weshalb denn, Madam? Sir Frederick war einst ein guter Freund und hat Ihnen sehr geholfen. Aber mit der Zeit hat er sich zu einem ziemlichen Widerling entwickelt. Ich kann ihn nicht ausstehen. Was bringt Sie nur dazu, ihn heiraten zu wollen?"
„Weil ..." Margaret stockte einen Moment. „Weil er über Iain Bescheid weiß."
„Oh, mein Gott."
„Über wen?" wollte Hamilton wissen.
„Das erkläre ich Ihnen später", sagte Margaret. Angela Shaw und Mrs. Berry wussten von Iain, Guy Hamilton hingegen nicht. Nun jedoch hatte sie das Gefühl, dass auch er eingeweiht werden müsse. Sie schaute aus dem Fenster, als die Droschke langsamer fuhr. „Ich glaube, wir sind da."
„Wer ist Iain?" ließ Hamilton nicht locker, doch bevor er weitere Fragen stellen konnte, brachte Angela ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen.
„Calton Hill, Nummer neununddreißig", rief der Kutscher, brachte das Gefährt mit einem Ruck zum Stehen und kletterte vom Bock.
Margaret sah ihre beiden Gefährten an. „Warten Sie hier. Es wird nicht lange dauern. Mr. Stewart wird mich bestimmt nicht zum Bleiben auffordern."
Angela drückte Margarets Hand. „Nur Mut", flüsterte sie. Margaret zog sich die Kapuze über den Kopf und stand auf, als der Kutscher den Schlag öffnete. Guy Hamilton stieg als Erster aus, und während er Margaret hilfreich die Hand reichte, bat er leise: „Wollen Sie mir nicht doch erzählen, was los ist?"
„Bleiben Sie bei Angela. Sagen Sie ihr, dass ich sie bitte, Ihnen alles zu erklären."
Hamilton nickte .und begleitete Margaret schweigend zu dem. Eisenzaun, der das imposante Haus von der Straße trennte. Warmes, einladendes Licht leuchtete hinter den Erkerfenstern im ersten und zweiten Stockwerk. „Erlauben Sie mir, mit hineinzugehen. Lassen Sie sich helfen", bat Guy Hamilton abermals.
„Nein, da kann mir niemand helfen. Gehen Sie zurück zu Angela. Lassen Sie sie nicht alleine in der Droschke. Bleiben Sie bei ihr. Bleiben Sie immer bei ihr", befahl sie ihm fast ungeduldig.
„Bestimmt ... wenn sie mich haben will."
„Das wird sie schon. Liebe findet immer einen Weg. Auch gebrochene Herzen können wieder geheilt werden."
Er sah Margaret eine Weile an, dann verbeugte er sich kurz. „Ein guter Rat, Mylady", sagte er, öffnete ihr das Gartentor, drehte sich um und ging.
Margaret stand allein im Dunkeln. Hier wohnte Dougal also, wenn er sich in Edinburgh aufhielt. Ihr Herz klopfte, ihre Hände wurden feucht in den Handschuhen, als sie vorbei an Blumenrabatten auf das Haus zuging. Auf dem Messingschild neben der Hausnummer stand: Dr. Connor MacBain.
Für einen Arzthaushalt sind unangemeldete Besucher bestimmt nichts Ungewöhnliches, überlegte sie. So spät war es außerdem noch gar nicht. Allerdings würde es peinlich sein, nach einem Gentleman zu fragen - aber es musste sein. Aus Respekt vor Dougal und ihrer Liebe durfte sie nicht zulassen, dass er ihre wahre Identität vor aller Öffentlichkeit, noch dazu auf ihrer Soiree, erfuhr.
Sie holte tief Luft, zog den Schleier des kleinen schwarzen Huts, den sie unter der Kapuze trug, vors Gesicht, atmete noch einmal tief durch und betätigte den Türklopfer.
Es dauerte nicht lange, bis eine Frau im schwarzen Kleid und weißer Schürze die Tür öffnete und Margaret ins Foyer treten ließ.
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