Im Bann der Wasserfee
tatsächlich etwas an Dahut. »Das wollte ich nicht. Es tut mir leid.«
»Zu spät, Ewen.«
»Lasst mich frei und ich helfe Euch bei der Flucht.«
»Wie kommt Ihr darauf, dass wir fliehen wollen?«
»Seht Euch doch um. Wozu bräuchte Dahut diese Seile, wenn nicht, um über die Stadtmauern zu klettern? Oder diese verpackten Vorräte? Haltet Ihr mich für dumm?« Ewens Gesicht war rot vor Wut. Eine Ader an seiner Stirn pochte.
»Für dumm gewiss nicht. Ich halte Euch für so intelligent, dass Euer Vorschlag, uns bei der Flucht zu helfen, nur eine Falle sein kann.«
»Aber ...«
»Kein aber.« Ragnar stopfte ihm einen Knebel in den Mund und fixierte ihn mit einem Tuch. Dann ließ er den Mörder allein mit seiner Wut.
Ragnar lief zum Palast, um den Kommandanten der Stadtwache aufzusuchen. Er hatte den Mörder gefasst. Ewen war ihr Freibrief.
In der Nähe von Gradlons Empfangsraum befand sich auch das Zimmer des Kommandanten. Doch nach Auskunft eines Wachmanns war dieser zu einer Besprechung mit dem König geeilt.
Ragnar folgte dem Gang bis zum Empfangsraum des Königs. Die beiden davor stehenden Wächter ließen ihn nicht ein, da die Unterredung nicht öffentlich war. Man versicherte ihm jedoch, dass diese nicht mehr lange dauern würde. Daher blieb Ragnar links von ihnen stehen, um auf den Kommandanten zu waren. Gewiss würde dieser erfreut sein, dass die Straßen von Ys fortan wieder sicher sein würden.
Doch auch Ragnars Probleme würden damit gelöst sein. Gefesselt und geständig war der Mörder in Dahuts Haus eingeschlossen. Dylan würde freigelassen und die Stadttore wieder geöffnet werden, sodass sie ohne größere Schwierigkeiten mit Dahut fliehen konnten.
Vielleicht gelang es ihm sogar, Dahut mit Dylan vorausschicken. Er wurde nachkommen, sobald er Gradlon getötet hatte. Dahut brauchte nichts davon zu erfahren. So konnte er beide Schwüre erfüllen.
Des Königs Tod würde ihm ermöglichen, endlich zu leben und womöglich eine Familie zu gründen. Bisher hatte er letzteres nicht gewagt, da Gradlon ihn in all den Jahren hatte verfolgen lassen, um einer möglichen Racheaktion zuvorzukommen.
Wenn Dahut wüsste, wie ihr Vater wirklich war, würde sie nicht um ihn trauern. Zudem war fraglich, ob Gradlon ihr so zugetan war, wie man es von einem Vater erwartete. Er bezweifelte dies.
Ragnar hob den Blick, als die zweiflügelige Tür zu Gradlons Empfangsraum geöffnet wurde. Ein ihm unbekannter dunkelblonder Mann trat hindurch. Hinter ihm erschienen Sanctus Corentinus, der Kommandant und König Gradlon.
Der Heilige lächelte teuflisch. Das Gesicht des Kommandanten hingegen war ausdruckslos, doch sein Blick wachsam.
Gradlon starrte Ragnar an, als wolle er ihn durchbohren. Auf sein Gesicht trat ein Lächeln, das nur falsch sein konnte. »Welch glücklicher Zufall, Rhain Bedwyn. Ihr werdet sicher höchst erfreut sein, einen Landsmann von Euch zu treffen. Er lebte einige Zeit am Hofe König Cuneddas. Womöglich seid ihr Euch schon begegnet.«
Der Mann verbeugte sich kaum merklich. »Cerled ap Blelmig ist mein Name. Eigentlich war ich ein Diener, doch ich kenne die Gefolgschaft meines Königs. Euch jedoch bin ich niemals zuvor begegnet.«
Ragnar brach der kalte Schweiß aus. »Ich war nicht oft bei Hofe, sondern lebte in den Highlands im Norden, falls Euch Ffestiniog ein Begriff ist. Wie gesagt: Ich bin nur ein entfernter Verwandter von vielen.«
Aus zu Schlitzen verengten Augen sah der Kymre ihn an. »Ja, gewiss. Ich habe gehört, dass Ihr den Urgroßvater Tegid mit unserem König gemeinsam habt.«
Ragnar zwang sich zu einem Lächeln.
»Ah, Tegid.« Der Kymre kraulte seinen Bart.
Sanctus Corentinus’ Lächeln wurde noch breiter und noch bösartiger. Der Kommandant hatte die Hand an seiner Waffe.
Cerled ap Blelmig blickte Ragnar ernst an. »Dennoch seht Ihr nicht aus wie jemand vom Clan, aus dem unser König stammt. Schon allein Eure ungewöhnliche Größe spricht dagegen. Es gibt niemanden des Namens Rhain Bedwyn bei uns. Ich hatte die Ehre, den König selbst danach zu fragen.«
Gradlon starrte Ragnar an, als sähe er einen Geist. »Wer seid Ihr?« Er war bleich wie der Tod. Offenbar ahnte er, wer Ragnar wirklich war.
Bevor Ragnar antworten konnte, erschien ein Diener und bat um sofortige Aufmerksamkeit. Er wirkte gehetzt. Alle starrten ihn an.
»Wer wagt es, mich zu stören?« An des Königs Tonfall war seine Ungeduld erkennbar.
Der Diener wurde sichtlich kleiner unter Gradlons Zurechtweisung.
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