Im Bann der Wasserfee
war Morvarc’h so gut wie unbewacht, weil Gradlon alle Männer zum Löschen abgezogen hat.«
»Nicht alle. Die meisten haben nichts zu tun, als ihn persönlich zu bewachen. Die zieht er nie ab. Willst du etwa Feuer legen? Sie suchen dich ohnehin schon.«
»Daher lasst uns schnell machen. Es darf mich niemand sehen, sonst lande ich als nächster im Kerker.«
Dahut nickte. »Ich weiß. Oder denkst du, mir ist nicht bereits früher aufgefallen, dass du aus dem Norden bist.«
Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich ernst. »Wirklich?«
»Nun, keiner aus Gwynedd flucht bei Óðinns Eiern und Hels Hintern.«
Er sah sie eindringlich an. »Du wirst mich doch nicht verraten?«
»Nein. Wir sind doch Verbündete. Erzähl mir jetzt von deinem Plan.«
»Wir lenken die Wachleute ab, indem wir den Deich öffnen.«
Dahut schnappte, von Panik ergriffen, nach Luft. War er wahnsinnig geworden? »Das können wir nicht tun! Die ganze Stadt wird in den Fluten versinken. Mensch und Tier werden ertrinken.«
Er streichelte ihre Wange. »Keine Sorge. Das habe ich bereits bedacht. Keiner wird ertrinken. Ich kenne mich mit Deichen aus. In meiner Heimat hatten wir einige davon. Wir werden ihn nur ein wenig öffnen, gerade so weit, dass Gradlon nervös wird. Er hat vor nichts mehr Angst als vor dem Meer. Er wird alle verfügbaren Männer abberufen. In der Zwischenzeit stehlen wir sein Pferd und verschwinden.«
»Und was ist mit Dylan?«
»Sobald wir außerhalb der Stadt sind, werde ich der Stadtwache eine Nachricht schicken, in der steht, wo sich der Mörder befindet. Ich habe ihn gefangen.«
Dahut starrte ihn erstaunt an. »Du hast ihn also wirklich gefunden? Wo?«
»In deinem Haus.«
Es durchfuhr sie eiskalt. »Dabei waren wir so vorsichtig. Es ist wirklich nirgendwo sicher.« Ob jemand auch von ihrem Geheimgang ahnte?
Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nirgendwo sicher vor dem Feind. Er verfolgte mich, wie du weißt. Dies wurde ihm zum Verhängnis. Doch Dylan wird die Stadt als freier Mann verlassen.«
»Aber sie werden uns jagen.«
»Mit Morvarc’hs Hilfe werden wir schneller sein als alle anderen. Es ist unmöglich, dass er uns erwischt.«
»Und wie findet Dylan uns?«, fragte sie.
»Das muss er nicht. Wir finden ihn, sobald die Lage ruhiger geworden ist.«
»Deine Zuversicht möchte ich haben. Aber wie soll ich an den Deichschlüssel herankommen?«
»Gehe zu Gradlon und sprich mit ihm. Sei ganz die anhängliche Tochter. Gib ihm Wein zu trinken, viel Wein.« Er lächelte hintergründig. »Das wird ihn müde und dir geneigter machen.«
»Ich werde es versuchen, doch was ist, wenn es mir nicht gelingt?«
»Es wird gehen. Das muss es einfach. Du wirst es für Dylan tun und für mich. Wir sind beide, nein, alle drei in einer Zwangslage. Uns bleibt nichts anderes übrig. Vertraue dir, du wirst es schaffen.«
»Und wenn sie mich beim Diebstahl des Schlüssels erwischen? Es ist doch immer ein ganzer Trupp Leibwächter bei ihm?«
»Sag Gradlon, du müsstest mit ihm über deine Mutter sprechen. Du willst endlich die Wahrheit erfahren. Schließlich steht sie dir zu. Diesmal gibst du nicht nach, zumal dies deine letzte Möglichkeit ist, bevor Gradlon Ys verlässt. Daher darfst du dich diesmal nicht abwimmeln lassen. Vielleicht hat er sogar ein schlechtes Gewissen deswegen. Verlange von ihm ein Gespräch unter vier Augen. Dann wird er die Leibwächter Dir zuliebe wegschicken.«
»Du denkst wirklich, das wird er tun?«
Ragnar lächelte aufmunternd. »Gib einfach nicht auf. Sag, es wäre deine letzte Möglichkeit, das zu erfahren und mit der Vergangenheit abzuschließen, bevor du heiratest. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Gradlon nach deiner Verehelichung so bald wie möglich nach Huelgoat abreisen will. Das kann dir jederzeit durch eine der schwatzhaften Dienerinnen zu Ohren gekommen sein, daher kannst du es als Argument verwenden. Wer weiß, ob du ihn, nachdem er die Stadt verlassen hat, jemals wiedersiehst.«
Dahuts Herz wurde schwer. Sie senkte den Blick. »Das befürchte ich auch. Er will mich nur loswerden.«
Ragnar hob ihr Kinn an, sodass sie ihn ansehen musste. »Darum kämpfe für deine Rechte! Fordere das Wissen für dich ein, denn es steht dir schon sehr lange zu! Und vor allem: Bring mir diesen verdammten Schlüssel, damit ich an das magische Pferd gelange, um dich aus der Stadt zu bringen und notfalls Dylan retten kann, sofern die Stadtwache nicht kooperieren sollte!«
Dahut nickte. »Ich werde es
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